Sonntag, 8. Juni 2025

Besichtigung von Spuren der 'deutschen Tragödie' in der Gedenkstätte KZ Dachau

Internationales Mahnmal von von Nandor Glid der Gedenkstätte KZ Dachau vor dem Hauptgebäude des KZ Dachau Internationales Mahnmal von von Nandor Glid der Gedenkstätte KZ Dachau Modell der Gedenkstätte Dachau, rechts KZ-Lager, links SS-Lager
 
Im Rahmen eines Aufenthaltes in Weilheim in Oberbayern besuchen wir am nordwestlichen Rand von München die Gedenkstätte KZ Dachau (67 km, 1:00 Std. Fahrzeit ab Weilheim). -  Fotoserie
 
Da der Wikipedia-Artikel KZ Dachau eine ausführliche Beschreibung bietet, geht dieser Post lediglich auf unseren Rundgang ein und führt einige Key facts auf.
  • Das KZ Dachau bestand vom 22.03.1933 bis zum 29.04.1945. Dachau bildete das Vorbild für das Netz des KZ-Ausbaus in Deutschland und in besetzten Gebieten.
  • Das KZ Dachau war kein Vernichtungslager, aber von mindestens 161.896 Häftlingen starben im KZ Dachau und seinen Außenlagern ca. 41.500 Häftlinge durch Lagerbedingungen, Seuchen, Erschießen, politische Morde, medizinische Experimente (Todeszahlen des KZ Dachau). Schwer erkrankte, nicht arbeitsfähige und renitente Häftlinge wurden umgebracht. Ab Oktober 1941 wurden sowjetische Kriegsgefangene in das Lager deportiert, von denen mehr als 4000 erschossen wurden. 
  • Anfangs wurde das KZ Dachau als Sondergefängnis für politische Häftlinge errichtet und als Erziehungslager propagiert. Später wurden auch andere nicht gebilligte Bevölkerungsgruppen inhaftiert: Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Schwerverbrecher, Nicht-Sesshafte, Kriegsgefangene und für Zwangsarbeit in der Kriegswirtschaft eingesetzt. Als Anreiz für die Honorierung hoher Arbeitsleistungen wurde im Mai 1944 ein Lagerbordell eingerichtet, in dem Frauen zur Prostitution gezwungen wurden. 
  • Durch Evakuierungstransporte aus geräumten Lagern im Osten brachen 1945 im überfüllten KZ Dachau Seuchen aus, an denen mehrere Tausend Häftlinge und auch Lagerpersonal verstarben.
  • Das KZ umfasste neben dem Häftlingsgelände einen etwa doppelt so großen SS-Bereich, in dem Wachmannschaften für den KZ-Einsatz ausgebildet wurden (SS-Totenkopfverbände).
  • Bei der Befreiung des KZ traf die US-Armee am 29.04.1945 im Gelände des Lagers auf den Todeszug aus Buchenwald, in dem sich ca. 2300 Leichen befanden. Aufgrund schockierender Eindrücke verübten US-Soldaten Selbstjustiz und erschossen vermutlich ca. 50 Angehörige des SS-Wachpersonals. In der rechtsextremen Szene wird dieser Sachverhalt als Dachau-Massaker verbreitet und die Zahl erschossener SS-Soldaten ohne Nachweise mit 560 angegeben.
 
Dachauer Prozesse (Wikipedia)
 
"In 3887 Verfahren wurde ermittelt, nur 489 Prozesse wurden durchgeführt. Sie fanden in den Jahren 1945 bis 1948 im Internierungslager Dachau statt, wo sich bis Ende April 1945 das KZ Dachau befand. 1672 Personen wurden in den Dachauer Prozessen angeklagt; allein 1021 Angeklagte wurden in bis zu 250 Prozessen der „Konzentrationslagerverbrechen“ beschuldigt. 268 der insgesamt 426 verhängten Todesurteile wurden im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg durch Hängen vollstreckt. Die zu Haftstrafen Verurteilten verbüßten ihre Haft ebenfalls in Landsberg. [...] Eine Übersicht gibt die Liste der Dachauer Prozesse."

 
Gedenkstätte 
 
1965 wurde die Gedenkstätte KZ Dachau eingerichtet. In Folgejahren wurden mehrere Erinnerungsorte errichtet. Im ehemaligen Wirtschaftsgebäude des KZ dokumentiert eine Dauerausstellung das Leben der Häftlinge im KZ und eine Sonderausstellung die Dachauer Prozesse von 1945 bis 1948. Eine weitere Dauerausstellung dokumentiert in einer rekonstruierten Häftlingsbaracke das Leben der Häftlinge in Baracken. Im Kinosaal des Hauptgebäudes wird abwechselnd in mehreren Sprachen ein Dokumentarfilm gezeigt (38 Minuten).
 
Neben prinzipieller Kritik an Holocaust-Erinnerungskultur wird speziell an der Gedenkstätte Dachau die starke religiöse Ausrichtung der Erinnerungsorte kritisiert, weil der authentische Ort in den Hintergrund trete. Grundsätzlicher wird diskutiert, ob museale Erinnerungsorte geeignete Lernorte seien. Ruth Klüger, Literaturwissenschaftlerin und Holocaustüberlebende kritisiert, dass Pathos und Kitsch den Blick auf die Realität verstellen und den Opfern nicht gerecht werden. Dachau sei so sauber und ordentlich, es wirke geradezu einladend, indem es eher an ein Ferienlager erinnere als an gefoltertes Leben (Wikipedia: Kritik an der Gedächtniskultur Dachaus). Beschriebene Eindrücke sind gemäß eigener Anschauung nachvollziehbar. Wir kennen andere KZ-Gedenkstätten (Auschwitz, Buchenwald, Sachsenhausen, Bergen-Belsen) und das Berliner NS-Dokumentationszentrum Topograhiie des Terrors, in denen Atmosphäre des NS-Terrors deutlicher vermittelt und für Besucher stärker spürbar wird.
 
Der im Kinosaal der Gedenkstätte gezeigte Dokumentarfilm ist wegen schlechter Akustik schwer verständlich und bietet zumindest uns kaum neue Informationen. Aus unserer Sicht ist der Film in Anbetracht der Monstrosität der Ereignisse zu vorsichtig. Sehr viel stärker beeindruckt der Film The Zone of Interest des britischen Regisseurs Jonathan Glazer aus dem Jahr 2024, über den ein Post berichtet: The Zone of Interest - Bürgerliche Familienidylle, rationale Funktionalität, Banalität des Bösen
 
 
Weitere Quellen 

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