Montag, 24. April 2023

"Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält." (Max Frisch) - Post in Bearbeitung: 26.10.2023

Handkolorierte Farbradierung «Lebenslauf»,
Adi Holzer 1997 (Werksverzeichnis 850)
Der Autor des Posts versteht Menschen posthumanistisch als bio-soziale Maschinen, Kultur und Religion als Strategien der Weltbewältigung, subjektive Wahrnehmung eines individuellen Selbst als Konstrukte des mentalen System, Biografien als ex post erzeugte Artefakte.
Biografien im Sinne chronologisch geordneter Abfolgen von Ereignissen und Entscheidungen einer verschrifteten Lebensgeschichte beschreiben individuelles Leben als einen ganzheitlichen kohärenten Zusammenhang. Der Schriftsteller Max Frisch wendet sich gegen diese Ansicht, wenn die Romanfigur Gantenbein mit biografischen Fiktionen spielt. Pierre Bourdieu erklärt in Die biographische Illusion (BIOS 1/1990, S. 75-81) Sinnzusammenhänge von Lebensgeschichten soziologisch als Konstrukte kulturell geprägter Wahrnehmungen der Welt, die bereits mit der Namensgebung sozialer Akteure angelegt werden. 
Naivem Alltagsdenken bleibt Komplexität der Umgebung von Leben verborgen und nimmt mental erzeugte Artefakte als biographisch beschreibbare objektive Realität wahr. Ursachen und Folgen unterschiedlicher Sichten auf die Welt geht dieser Post nach, ohne Wahrheiten zu verkünden. Aber er sucht nach Wahrheiten und scheut dabei weder Anstrengungen noch Provokationen. Neurobiologie und Sozialpsychologie vermitteln Ahnungen, wie im evolutionären Prozess unter kontingenten Bedingungen komplexer Umgebungen universale biologische Mechanismen und variierende kognitive Strukturen des mentalen Systems als nützliche Funktionen des Überlebens von Organismen entstehen und Illusionen eines sich vermeintlicher Individualität und Autonomie bewussten Subjektes  erzeugen. 

Sonntag, 23. April 2023

Grundfarbe Deutsch - individuelle Happiness - prekäres vs. lebenswertes Leben - Update: 23.05.2023

In seinem 3. Buch übt der Herzchirurg Dr. Umeswaran Arunagirinathan (Umes) berechtigte Kritik an Fehlentwicklungen des deutschen Gesundheitssystems (Post: Der verlorene Patient – Dr. Umeswaran Arunagirinathan berichtet aus dem Maschinenraum des Medizinbetriebs). Im April 2022 ist das jüngste Buch mit dem Titel Grundfarbe Deutsch erschienen. Der Haupttitel des Buchs ist eine Metapher für typisch Deutsches, das der Autor ohne romantischen Kitsch oder Lobhudelei mit einer Liebeserklärung würdigt. Der Untertitel "Warum ich dahin gehe, wo die Rassisten sind", kündigt aber auch Besorgnis an, die der Autor mit diesem Buch begründet.
Leben bietet zweifellos Stoff für spannende Erzählungen, aber darum geht es dem Autor nicht primär. Vor dem Hintergrund eines ehemals prekären Lebens beschreibt der Autor seine eigene gelungene Integration in eine zuvor völlig fremde Kultur, die er inzwischen als Heimatkultur angenommen hat, obwohl auch hier längst nicht nur heile Welt besteht. Seine Erfahrung verallgemeinert der Autor im Sinne exemplarischer Perspektiven der Ermöglichung oder Verhinderung guten Lebens. 
Der Autor berichtet in Sprache des Alltagsdenkens, ohne die soziales Leben einer Kultur nicht möglich wäre. Zwischen Kulturen konkurriert unterschiedliches Alltagsdenken. Offenbar bringen unterschiedliche Bedingungen nicht nur verschiedene Sprachen und Symbole hervor, sondern auch unterschiedliche Arten des Denkens mit unterschiedlichen Wertvorstellungen und Verständnissen der Welt. Erklärungen von Ursachen dieses Sachverhalts erfordern über Alltagsdenken hinausgehendes Denken 2. Ordnung.