Handkolorierte Farbradierung «Lebenslauf», Adi Holzer 1997 (Werksverzeichnis 850) |
Der Autor des Posts versteht Menschen posthumanistisch als bio-soziale Maschinen, Kultur und Religion als Strategien der Weltbewältigung, subjektive
Wahrnehmung eines individuellen Selbst als Konstrukte des mentalen System, Biografien als ex post erzeugte Artefakte.
Biografien im Sinne chronologisch geordneter Abfolgen von Ereignissen und Entscheidungen einer verschrifteten Lebensgeschichte beschreiben individuelles Leben als einen ganzheitlichen kohärenten Zusammenhang. Der Schriftsteller Max Frisch wendet sich gegen diese Ansicht, wenn die Romanfigur Gantenbein mit biografischen Fiktionen spielt. Pierre Bourdieu erklärt in Die biographische Illusion (BIOS 1/1990, S. 75-81) Sinnzusammenhänge von Lebensgeschichten soziologisch als Konstrukte kulturell geprägter Wahrnehmungen der Welt, die bereits mit der Namensgebung sozialer Akteure angelegt werden.
Naivem Alltagsdenken bleibt Komplexität der Umgebung von Leben verborgen
und nimmt mental erzeugte Artefakte als biographisch beschreibbare
objektive Realität wahr. Ursachen und Folgen unterschiedlicher Sichten
auf die Welt geht dieser Post nach, ohne Wahrheiten zu verkünden. Aber
er sucht nach Wahrheiten und scheut dabei weder Anstrengungen noch
Provokationen. Neurobiologie und Sozialpsychologie vermitteln Ahnungen, wie im evolutionären Prozess unter kontingenten
Bedingungen komplexer Umgebungen universale biologische Mechanismen und variierende kognitive Strukturen
des mentalen Systems als nützliche Funktionen des Überlebens von
Organismen entstehen und Illusionen eines sich vermeintlicher
Individualität und Autonomie bewussten Subjektes erzeugen.