Donnerstag, 8. Februar 2024

Teil 2: Kriegswirtschaft, Zwangsarbeit, Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg (Stand: 09.04.2024)

Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion
im Lager Meinerzhagen 1945
Teil 2 fokussiert im Kontext des Zweiten Weltkriegs bis zu dessen Ende im Jahr 1945 auf den Lebensraum der eigenen Familie im Industrierevier des Duisburger Nordens und dokumentiert Ergebnisse von Recherchen, die sich mit Zwangsarbeit als ein verdrängtes Kapitel deutscher Geschichte sowie als Tabuthema eigener Familiengeschichte befassen. Auf Sachverhalte von Zwangsarbeit in der Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs traf der Autor des Textes im Rahmen eigener Familien- und Heimatforschung am westlichen Ende des Kohlerevier des Ruhrgebiets im Duisburger Norden. Ein weiterer Fokus dieses Kapitels liegt auf Kriegsverbrechen der Wehrmacht und das Ende des Zweiten Weltkriegs.
 
 
Inhaltsverzeichnis Teil 2
 
1        Einleitung Teil 2
2        Stadt Duisburg und Ruhrgebiet im Zweiten Weltkrieg (1939-1945)
3        Zwangsarbeit in der Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs
3.1     Zwangsarbeit in Duisburg während der Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs
4        Die eigene Familie in der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg
4.1     Familie der Mutterlinie
4.2     Familie der Vaterlinie
5        Kriegsverbrechen der Wehrmacht
6        Ende des Zweiten Weltkriegs
6.1     Flucht von NS-Kriegsverbrechern auf 'Rattenlinien' und Rolle der Kirchen

 
1 Einleitung Teil 2
 
Der hohe Kohlebedarf des Krieges verschonte Bergleute bis 1942 vom Kriegsdienst. Eingezogene Bergleute ersetzten unter schweren Repressalien Kriegsgefangene und inhaftierte Zivilpersonen als Zwangsarbeiter. 

Kontakte zwischen der Bevölkerung und Zwangsarbeitern waren verboten und daher sparsam, aber sie waren unvermeidbar. Sachverhalte von Zwangsarbeitern und Lagern sowie der Lebensbedingungen von Zwangsarbeitern ließen sch nicht verstecken und waren entgegen Behauptungen der Nachkriegszeit bekannt. Über die Problematik von Judenpogromen, Judenverfolgung und Holocausts haben die eigenen Eltern durchaus und distanzierend gesprochen. Erwähnt wurden auch Arbeitslager, über die angeblich keine Details bekannt waren, weil diese als geheim galten und ehemalige Inhaftierte zum Schweigen verpflichtet waren. Die Kriegswirtschaft konnte nur mit Zwangsarbeitern aufrecht erhalten werden. Zahlreiche Zwangsarbeiterlager bestanden im zivilen Umfeld. Diese Sachverhalte und den Umfang der Lagerwirtschaft haben Angehörige verheimlicht. Dieses Verheimlichen war möglich, weil es sich um eine von Bevölkerung, Eliten, Institutionen und Organisation geteilte Strategie handelte.

 
2 Stadt Duisburg und Ruhrgebiet im Zweiten Weltkrieg (1939-1945)
 
Rathaus Duisburg (links) und Salvatorkirche (rechts) 1920   -   Innenhafen Duisburg 1906   -   Schwanenbrücke über den Innenhafen 1913 
 
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts weckten Prozesse der Industrialisierung die ehemalige Königspfalz, freie Reichsstadt und Hansestadt Duisburg aus einem mehr als tausendjährigen Dornröschenschlaf.(1) Reiche Kohlelager und die günstige Verkehrslage an der Mündung der Ruhr in den Rhein bewirkten die Ansiedlung von Stahlindustrie, die Etablierung von Bergbaubetrieben und Kokereien sowie ein rasantes Wachstum der Stadt von ca. 4000 Einwohnern in der vorindustriellen Zeit auf mehr als 200.000 Einwohner im Jahr 1906. Aufgrund von Eingemeindungen wurde 1929 die Zahl von mehr als 400.000 Einwohner überschritten. Duisburg befand sich auf der Erfolgsspur und wuchs in ca. 50 Jahren von einer Kleinstadt zu einer der größten und reichsten Städte Deutschlands. 
 
Aufgrund der industriellen Struktur mit einem hohen Anteil Arbeiterschaft waren KPD und SPD als politische Parteien der Weimarer Zeit in Duisburg relativ bedeutend, aber nicht stark genug, um das Vordringen nationalsozialistischen Gedankenguts und den Wahlerfolg der NSDAP verhindern zu können. Bei den Reichstagswahlen vom 5.03.1933 entfielen von 253.089 abgegebenen gültigen Stimmen 33,8 % auf die NSDAP. Zweitstärkste Partei war mit 21,6 % die vom Katholizismus geprägte Zentrumspartei, die dem Ermächtigungsgesetz vom 24.03.1933 zugestimmt hatte und sich am 05.07.1933 auflöste. Erst dahinter folgten die KPD = 21,3 % und die SPD = 12,2 %.(2)

Wegen seiner strategischen Bedeutung war das Ruhrgebiet bevorzugtes Ziel alliierter Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs, die das Ruhrgebiet in eine apokalyptische Trümmerlandschaft verwandelten.(3) Duisburg war ein strategisches Hauptziel alliierter Luftangriffe.(4) Industrieanlagen und städtische Infrastrukturen hatten für die Kriegswirtschaft fundamentale Bedeutung. Ihre Funktionsfähigkeit blieb trotz aller Zerstörungen durch Luftangriffe mehr oder weniger erhalten. Weitaus stärker war die Zerstörung von Wohngebäuden. In Städten wie Duisburg und Dortmund waren mehr als 65 % aller Wohnhäuser zerbombt, in manchen Wohnvierteln mehr als 90 % (RP: Fotostrecke Duisburg).(5) Städte des Ruhrgebiets und viele andere deutsche Großstädte waren nahezu unbewohnbar. Wer in der Bevölkerung für die industrielle Produktion abkömmlich war, flüchtete in ländliche Gebiete oder wurde umgesiedelt. Familien verloren nicht nur ihr soziales Umfeld, sie wurden auseinandergerissen. 


3  Zwangsarbeit in der Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs(6,7)

Mit anlaufender Kriegswirtschaft wurden ab 1939 für den Einsatz im Steinkohlebergbau ausländische Arbeitskräfte aus Polen, Italien, Kroatien und der Ukraine angeworben. Mit zunehmendem Arbeitskräftebedarf vollzog sich ab 1941 ein Übergang von Freiwilligkeit zum Zwang.(8)

Ab 1942 konnte die deutsche Kriegswirtschaft nur noch mit versklavten Zwangsarbeitern aufrecht erhalten werden. Allerdings gab es vor 1945 den Begriff ‚Zwangsarbeiter‘ nicht. Die Bevölkerung sprach ohne Berücksichtigung des Zwangscharakters von ‚Fremdarbeitern‘. Zwangsarbeiter wurden nicht nur in der Industrie, sondern in fast allen Branchen und auch für Dienstleistungen eingesetzt, u.a. auch von der evangelischen und der katholischen Kirche.(9) Insgesamt ca. 44.000 Lager werden für das Deutsche Reich geschätzt, davon ca. 30.000 für zivile Zwangsarbeiter (alleine ca. 3000 im Raum Berlin für ca. 500.000 zivile Zwangsarbeiter zuzüglich Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge).(10) Über den Zeitraum des Zweiten Weltkriegs hielten die Produktion der deutschen Kriegswirtschaft ca. 13 Millionen Zwangsarbeiter aufrecht, von denen ca. 2,5 Millionen starben.
 
Auf dem Höhepunkt der Kriegswirtschaft waren im August 1944 in Deutschland neben zwei Millionen Kriegsgefangenen sechs Millionen überwiegend aus Polen und der Sowjetunion verschleppte zivile Zwangsarbeiter tätig. Zusätzlich sind mehrere Millionen im Ausland eingesetzte Zwangsarbeiter zu berücksichtigen, über die keine genaueren Zahlen vorliegen. Ca. ein Drittel der zivilen Zwangsarbeiter waren Frauen, von denen etliche mit ihren Kindern verschleppt waren oder Kinder in Lagern zur Welt brachten. Zunehmend wurden auch KZ-Häftlinge eingesetzt. Deutsche Beschäftigte stiegen zu Vorarbeitern auf. 8 Millionen in Deutschland tätige Zwangsarbeiter entsprechen einer Größenordnung von mehr als 10 % der Bevölkerung. 8 Millionen Menschen können in einer Bevölkerung von 69 Millionen Menschen weder versteckt noch übersehen werden. Gegenteilige Behauptungen sind Lügen.
 
 
3.1 Zwangsarbeit in Duisburg während der Kriegswirtschaft des Zweiten Weltkriegs(11)
 
Allein im Ruhrbergbau waren ca. 400.000 Zwangsarbeiter versklavt. In Duisburg wurden über den Zeitraum der Kriegswirtschaft ca. 45.000 Männer und Frauen als Zwangsarbeiter eingesetzt. 1944 wurden 34.000 Männer und Frauen als Zwangsarbeiter gezählt. Mindestens 1870 Ausländer kamen zu Tode. Im Stadtgebiet Duisburg bestanden mehr als 200 Lager unterschiedlichen Typs (absolute Zahlen schwanken je nach Quelle) mit zivilen und militärischen Zwangsarbeitern.(12) Teilweise befanden sich Lager auch auf Werksgeländen, aber überwiegend lagen sie in Wohngebieten. Im Raum Hamborn bestanden 8 Kriegsgefangenenlager:
  • Lager Apollotheater, Kronprinzenstraße, für französische Kriegsgefangene
  • Lager Glückaufschule, Marienstraße 18
  • Lager Pollmannshof, Fahrner Str. 121, für sowjetische Kriegsgefangene
  • Lager Holtener Straße/Gartenstraße für sowjetische Kriegsgefangene
  • Lager Oberhauser Allee für sowjetische Kriegsgefangene
  • Lager Franz-Lenze-Straße für französische und sowjetische Kriegsgefangene
  • Lager auf dem Gelände der August-Thyssen-Hütte an der Alsumer Straße
  • Lager Sassenstraße 96 in Holten mit Zwangsarbeitern der Ruhrchemie
Zusätzlich bestanden über das gesamte Stadtgebiet von Hamborn verteilte weitere 40 Lager für zivile Zwangsarbeiter. In Walsum bestanden 10 Lager für zivile und 5 Lager für militärische Zwangsarbeiter.
 
Auf der Schachtanlage Friedrich Thyssen 2/5(13) der Gelsenkirchener Bergwerks-AG Gruppe Hamborn(14) waren mehr Kriegsgefangene als zivile Mitarbeiter beschäftigt. Im Lager Pollmannshof (Fahrner Straße 121 im Bereich des heutigen Evangelischen Krankenhauses Duisburg Nord) waren 450 sowjetische Kriegsgefangene inhaftiert.(15) Zivile Zwangsarbeiter der Schachtanlage waren unübersehbar in der Umgebung von Wohngebieten in 6 Lagern untergebracht:(16)
  • Freiligrathstraße 13
  • Henriettenstraße 35
  • Marienstraße 2
  • Schulstraße 29
  • Weseler Straße 98
  • Warbruckstraße 29
Arbeits- und Lebensbedingungen (Unterbringung, Ernährung, Hygiene, Krankenversorgung, Luftschutz, Versorgung mit Brennmaterial) waren katastrophal. Am schlechtesten ging es aus Osteuropa stammenden Menschen slawischer Herkunft, die als ‚Untermenschen‘ galten. Wo Zwangsarbeiter auf deutsche Bevölkerung trafen, galt strenge Apartheid. Generell bestand Sprechverbot. Wenn sich deutsche Frauen mit Zwangsarbeitern einließen, wurden Männer hingerichtet und Frauen aus Gründen von „Rassenschande“ in KZ’s deportiert. Wenn mitleidige Einwohner Zwangsarbeitern heimlich Essen oder Kleidung zusteckten, begaben sie sich in große Gefahr. Wer auffiel, bekam Besuch von der Gestapo und hatte ein größeres Problem.(17,18)

Von 1943 bis 1944 bestand in Duisburg-Meiderich in der Siedlung Ratingsee ein Außenlager des KZ Sachsenhausen (später dem KZ Buchenwald zugeordnet) mit ca. 500 Inhaftierten. Insassen mussten nach Bombenangriffen Aufräumarbeiten leisten.1943 wurde das Lager in die zerbombte evangelische Diakonieanstalt am Kuhlenwall verlegt.(19)
 
 
 4 Die eigene Familie in der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg
 

Familien der Mutter- und der Vaterlinie waren um das Jahr 1900 aus Ostpreußen in das Ruhrgebiet migriert. Männliche Mitglieder beider Familie arbeiteten über zwei Generationen als Bergleute auf der zentralen Schachtanlage Friedrich Thyssen 2/5 der Gelsenkirchener Bergwerks-AG und wohnten in der Umgebung des Betriebes. Mit dem Zuzug pietistischer Migranten aus Ostpreußen, zu denen auch die eigene Familie zählte, entstanden im Ruhrgebiet zahlreiche pietistische Gemeinden, die Migranten sozialen Zusammenhalt boten und bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg das Leben der Migranten im Ruhrgebiet maßgeblich prägten.

Pietisten waren eher unpolitisch gesinnt und vertraten konservative Werthaltungen. Politische Ausrichtungen des Nationalsozialismus deckten sich nicht mit pietistischen Überzeugungen, aber Pietisten erhofften sich vom Nationalsozialismus eine Stärkung konservativer Anschauungen, gemäß derer jeder einen vermeintlich göttlich vorbestimmten Platz im Leben besetzt und Männer als natürliche Patriarchen vorgesehen sind. Aufgrund von religiöser Erbschuld galten Kinder als keine Tabula rasa bzw. als schuldig. Um das Leben von Kindern vor ewiger Verdammnis zu retten, musste pietistische Pädagogik Kindern Ideale von Frömmigkeit, Gehorsam, Tugendhaftigkeit, Ordnung, Sauberkeit antrainieren und vermeintlich angeborene Bösartigkeit bei Bedarf mit Mitteln von Zwang austreiben. Pietistische Pädagogik forderte: "Wer seine Kinder liebt, der schlägt sie.“ Prügelstrafen galten als ein unvermeidbares Erziehungsmittel. NS-Ideologie vertrat ähnliche Werte. Daher lehnten Pietisten überwiegend den Nationalsozialismus nicht ab und verstanden ihn sogar als eine Umsetzung religiöser pietistischer Ideale im politischen Raum. Nähe von Idealen erzeugt generelle Affinität, beweist aber keine individuelle Affinität.
 
Im Zweiten Weltkrieg fanden aufgrund der strategischen Bedeutung des Ruhrgebiets für die deutsche Kriegswirtschaft ab dem Winter 1940/41 alliierte Luftangriffe mit Bombenabwürfen im gesamten Ruhrgebiet statt. Ab Sommer 1941 begannen nahezu allnächtliche Flächenangriffe großer Verbände mit hunderten Flugzeugen auf Städte und Industriebetriebe des Ruhrgebiets, sodass dort lebende Menschen Nächte überwiegend in Bunkern oder Luftschutzkellern verbrachten. Die Stadt Duisburg wurde 311 Mal bombardiert. Bombenabwürfe richteten schwere Zerstörungen an, die teilweise mehrere tausend Todesopfer verursachten. Mit zunehmender Ausweitung der Luftangriffe waren Städte des Ruhrgebiets immer weniger bewohnbar. Wer abkömmlich war, flüchtete in vom Krieg eher unbetroffene ländliche Räume oder wurde in diese Räume evakuiert.
 
 
4.1 Familie in der Mutterlinie
 
In der Familie der Mutterlinie gab es keine aktiven Kriegsteilnehmer und keine erwachsenen Mitglieder der NSDAP oder ihr zuzuordnender Organisation. Allerdings waren Mutter und ihre älteren Schwestern der NS-Jugendorganisation Bund Deutscher Mädel (BDM) angeschlossen.(20) Da die Mitgliedschaft obligatorisch war (aber nicht absolut verpflichtend), besagt sie wenig über wertende Einstellungen. Mutter hat jedenfalls berichtet, dass sie gerne im BDM war, weil ihr die Gruppenaktivitäten gefielen. Distanzierend hat sie sich nie zum BDM geäußert.
 
Mutter befand sich nach Abschluss der Volksschule ab 01.07.1942 in einer hauswirtschaftlichen Ausbildung bei der mittelständischen Familie A. H. in Duisburg-Neudorf und bewohnte ein Dienstmädchenzimmer der Familie. Als Flächenbombardierungen im Ruhrgebiet zunahmen, zogen Mutter, ihre Arbeitgeberin und deren beiden Kinder zunächst für einen kurzen Zeitraum nach Maikammer in der Pfalz und anschließend weiter in den alemannischen Raum nach Ötlingen im Markgräflerland an der Grenze zur Schweiz, wo sie im Pfarrhaus unterkamen. Der Ehemann der Chefin war in Duisburg als Ingenieur in der Industrie unabkömmlich. Die Chefin nutzte Freiheiten in Ötlingen zu nächtlichen Treffen mit Liebhabern, während Mutter die Kinder hütete. Angewidert vom Verhalten der Chefin flüchtete Mutter im September 1943 auf verschlungenen Wegen bei Nacht und Nebel zur eigenen Familie nach Ilbenstadt. 
 
Großvater war Bergmann und galt als unabkömmlich. Er musste in Duisburg bleiben. Bombenterror des Ruhrgebiets hat er mit voller Wucht er- und überlebt. Großmutter fand mit den Kindern Johanna und Friedrich Zuflucht im Dorf Ilbenstadt der hessischen Wetterau bei der Familie, in die Tochter Anneliese eingeheiratet hatte. Annelieses Ehemann Georg nahm zu dieser Zeit am Russlandfeldzug teil.
 
Großmutter war über Mutters vermeintlich leichtfertige Flucht von diesem kriegsfernen Platz empört und begrüßte ihre Tochter mit einer Ohrfeige. In Ilbenstadt wohnte die Familie äußerst beengt und fand für Mutter keinen Platz. Die bloßgestellte Chefin lehnte eine Rückkehr nach Ötlingen ab. Mutter blieb nichts anderes übrig, als zum Vater in die Duisburger Bombenhölle zu ziehen und die Nächte wieder im Luftschutzkeller des Miethauses auf der Schmelzerstraße 2 zu verbringen. In Hamborn fand Mutter für ca. ein Jahr eine Anstellung im Haushalt der Familie G., die auf der Weseler Straße einen noch immer bestehenden Friseursalon betrieb. 
 
Als der Bombenterror ein Leben in Duisburg fast unmöglich machte, flüchtete Mutter im September 1944 erneut zu Geschwistern und der eigenen Mutter nach Ilbenstadt. Traumatisierende Bombennächte verfolgten Mutter als Alpträume bis zum Lebensende, obwohl sie von den schwersten Bombenangriffen verschont blieb. In den Nächten des 13. und 14. Oktober 1944 warfen alliierte Bombergeschwader in der Operation Hurricane in drei Wellen ca. 10.000 Tonnen Bomben vor allem über Wohngebiete des Duisburger Nordens ab. Mehr als 2500 Menschen starben allein in Duisburg. Verletzte wurden in Hamborn im St. Johannes Hospital versorgt, das wie durch ein Wunder unzerstört bliebt. Tote wurden auf dem Schulhof des Abtei-Gymnasiums gestapelt.

Nach Kriegsende wurde im Luftschutzkeller des Wohnhauses Schmelzerstraße 2 eine Waschküche eingerichtet, die ich noch kenne. Wenn Großeltern mit der Waschwoche an der Reihe waren, erledigten Mutter und ihre jüngere Schwester Johanna über mehrere Tage die Wäsche. Da zu Hause die Versorgung ausfiel, hat die Großmutter für alle gekocht. Meistens haben wir uns Reibekuchen gewünscht, von denen wir nie genug bekommen konnten. Die massive Tür des Luftschutzraums war als Zugang zur Waschküche ebenso erhalten wie Markierungen an Hauswänden der Schmelzerstraße mit Hinweisen auf den Luftschutzkeller.
 
In den 1950er Jahren befand sich in Omas Wäscheschrank ein von NS-Politik in Anlehnung an militärische Orden an kinderreiche Mütter als Auszeichnung verliehenes Ehrenkreuz der Deutschen Mutter (Mutterkreuz), im Volksmund als „Karnickelorden“ bezeichnet.(21) Die Auszeichnung diente der Förderung eines völkisch wertvollen Nachwuchses und wurde auf öffentlichen Feiern jeweils am zum offiziellen Feiertag erklärten ‚Muttertag‘ im Namen von Adolf Hitler durch den zuständigen Ortsgruppenleiter der NSDAP verliehen. Voraussetzung der Verleihung waren „deutschblütige“ Eltern, sowie „erbtüchtige“, „sittliche einwandfreie“, „anständige“ Mütter.(22) Wie das festgestellt wurde und wie die Verleihung ablief, ist nicht überliefert. 

Der Reichsbund der Kinderreichen (RdK) bestand seit 1922 als Selbsthilfeorganisation für kinderreiche Familien (Familien mit mindestens vier Kindern).(23) Diese Voraussetzung war in der Familie der Mutterlinie ab 1927 erfüllt, also noch vor der Machtübernahme der NSDAP. Das Mutterkreuz war mit einem Hakenkreuz versehen und kann daher erst nach der Machtübernahme der NSDAP verliehen worden sein. Rassenhygienische Vorstellungen vertrat der RdK bereits vor 1933. Im Nationalsozialismus wurde der RdK dem Rassenpolitischen Amt der NSDAP angeschlossen und propagierte die "biologische Erneuerung" des deutschen Volkes. 1945 wurde die Organisation durch den Alliierten Kontrollrat verboten und ihr Eigentum beschlagnahmt.
 
Das Mutterkreuz ist ein Symbol für NS-Ideologie und ein Indiz (kein Beweis!) für Affinität ausgezeichneter Mütter zu NS-Politik, zumal die Auszeichnung einen vorzulegenden Ariernachweis erforderte.(24) Verdacht auf Affinität zu NS-Ideologie in der Mutterfamilie erzeugen Mutters von NS-Ideologie geförderter Berufswunsch Kinderkrankenschwester sowie die von zwei Brüdern des Großvaters veranlasste Arisierung des auf das slawische „ki“ endenden Familiennamens.
 

4.2 Familie in der Vaterlinie

In der Familie der Vaterlinie gab es drei aktive Kriegsteilnehmer, Vater und die beiden älteren Brüder Wilhelm und Gustav. Der NS-Jugendorganisation Hitlerjugend (HJ) wären die Jungs gerne beigetreten, aber die Stiefmutter gestattete aufgrund starker Vorbehalte gegen NS-Kultur keine Mitgliedschaft.(25) In der Schule wurde Vater schikaniert, weil er nicht in der HJ war. Dank herausragender Schulleistungen konnte Vater sich zwar Respekt verschaffen, aber blieb ein Außenseiter und empfand sich auch so.
 
Vater arbeitete nach Abschluss der Volksschule seit April 1936 als Bergmann auf der Schachtanlage Friedrich Thyssen 2/5 und musste zum Familienunterhalt betragen, weil der eigene Vater 1932 verstarb. Der Bergbau war eine strategisch wichtige Industrie der Kriegswirtschaft, weshalb Bergleute als unabkömmlich vom Kriegsdienst vorerst verschont blieben. 1942 wurde Vater zur Kriegsmarine eingezogen. Er absolvierte eine Ausbildung in Wilhelmshaven und wurde anschließend als Schütze der Bord-Flak auf umgebauten Handelsschiffen eingesetzt, die in Geleitzügen des Nordatlantiks und als Truppentransporter im Mittelmeer verwendet wurden. Im Mittelmeer wurden Schiffe mit Vater in der Besatzung viermal durch Seeminen, Torpedotreffer oder Luftangriffe versenkt. 
 
Zahlreiche Deutsche informierten sich über den Kriegsverlauf im Rundfunk per Sendungen der deutschsprachigen BBC. Das Hören von 'Feindsendern' war strengstens verboten war. Wer auffiel, wurde mit bis zu 5 Jahren Gefängnis oder Zuchthaus bestraft. Auf Schiffen der Kriegsmarine war der Empfang von 'Feindsendern' relativ ungefährlich und daher üblich. Vater erfuhr im Rundfunk von der Zerstörung Duisburgs durch Bombardierungen der Operation Hurricane und geriet in große Sorge über das Schicksal der im Duisburger Norden lebenden Familie. Die Verlegung zu einem anderen Flottenstützpunkt nutzte Vater in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zu einem Abstecher nach Duisburg, um nach seiner Familie auf der Hochstraße zu schauen. Diese Aktion war lebensgefährlich. Eine unerlaubte Entfernung von der Truppe galt als Flucht und konnte Todesstrafe bedeuten. Vater hatte Glück. Er wurde nicht gefasst und traf seine Familie zu Hause lebend an. Bei der Ankunft am neu zugewiesenen Flottenstützpunkt musste er seine verzögerte Anreise erklären. Sein Kommandeur zeigte Verständnis und setzte als Strafe einige Tage 'Erholung' im Arrest an.

Kurz vor Kriegsende geriet Vater in alliierte Gefangenschaft. In Mittelitalien war er zunächst unter schwierigen Bedingungen in einem britischen Lager interniert. Insassen litten Hunger und überlebten, weil die italienische Bevölkerung Lebensmittel über Zäune warf. Britische Wachtruppen litten selbst unter Versorgungsmängel und duldeten die Versorgung von Kriegsgefangenen aus der Zivilbevölkerung. Nach Übergabe des Lagers an die amerikanischer Armee glich das Lagerleben eher Pfadfinder-Camps. Als Bergmann wurde Vater schon bald nach Kriegsende aus der Haft entlassen, um im Bergbau am Wiederaufbau Deutschlands mitzuwirken. 
 
Dass Vater ein überzeugter Anhänger von NS-Politik und seines eigenes Soldatentum war, ist so wenig zu erkennen wie die gegenseitige Haltung von Ablehnung. Erkennbar ist jedoch trotz vielfacher Gefahren eine romantisierende Verklärung seines Einsatzes in der Kriegsmarine. Diese ist nachvollziehbar, weil Vater als Außenseiter in Armutsverhältnissen aufwuchs. Die Kriegsmarine war für ihn eine militärisch „saubere“ Serviceeinheit, in der er Anerkennung erhielt, Kameradschaft wertschätzte und unter kontrollierbaren Bedingungen Teile der europäischen Welt kennen lernte. 

Anders schaute es bezüglich Vaters Brüder aus. Beide waren in Duisburg verheiratet. Der ältere Bruder Wilhelm geriet in russische Kriegsgefangenschaft. Da er sich nicht vorstellen konnte, jemals wieder in die Heimat zurückkehren zu können, baute er sich in Russland ein neues Leben auf. Darüber hinaus ist über ihn nichts überliefert. Gustav meldete sich freiwillig als Fallschirmspringer. Fallschirmspringer waren auf Kampfkraft gedrillte militärische und ideologische Eliten. Ohne innere Überzeugung meldet sich niemand freiwillig als Fallschirmspringer. Gustav zahlte seine Überzeugung mit dem Höchstpreis. Kurz vor Kriegsende starb er bei einem Einsatz in Mittelitalien. Vom Bruder Gustav hat sich Vater nie distanziert, sondern eher mit Bewunderung von ihm gesprochen.
 
 
5 Kriegsverbrechen der Wehrmacht
 
Juristisch wurden 0,05 % von insgesamt 10 Millionen kämpfenden Wehrmachtssoldaten von deutschen und alliierten Gerichten wegen Kriegsverbrechen oder Beteiligung am Holocaust verurteilt, d.h. ca. 5.000.(26) (Die Gesamtzahl der Wehrmachtsangehörigen betrug inklusive aller Mitarbeiter ca. 20 Millionen). Unstrittig ist die Rolle der SS sowie ihre Beteiligung am Holocaust und an zahlreichen weiteren Kriegsverbrechen.(27) Bezüglich Kriegsverbrechen von Wehrmachtssoldaten an der Zivilbevölkerung werden auch noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg Mythen vom ritterlichen Ethos deutscher Soldaten systematisch verbreitet und gegen Versuche der Aufarbeitung verteidigt. In der Realität gehörten Demütigungen der Bevölkerung zur Kriegsführung. Sexuelle Gewalttaten deutscher Soldaten waren insbesondere während des Russlandfeldzugs üblich und wurden wie alle anderen Kriegsverbrechen deutscher Soldaten nur selten disziplinarisch oder gerichtlich verfolgt.(28)

In Polen von der Wehrmacht und der SS begangene Massaker sind in Deutschland kaum bekannt. Hierzu zählen die Massaker von Wawer, Ochota und insbesondere von Wola, das als eines der größten Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs gilt.(29) Schätzungen belaufen sich für das Massaker von Wola auf bis zu 50.000 Toten. Ein Kommando von ca. 100 inhaftierten Polen musste die Leichen verbrennen und wurde anschließend erschossen.(30)
 
Da nicht nur während des Krieges, sondern auch nach dem Krieg kein Interesse an der Aufarbeitung und Verfolgung von Verbrechen bestand, die Wehrmachtssoldaten an der Zivilbevölkerung verübt haben und Kriterien der Beteiligung umstritten sind, ist die Dunkelziffer der Beteiligung hoch. Schätzungen reichen von ca. 5 % bis 80 % (500.000 bis 8.000.000 Soldaten).(31) Keiner der beteiligten deutschen Soldaten wurde nach dem Krieg zur Verantwortung gezogen.
 
Während Zahlen über getötete und verwundete Soldaten aller beteiligten Länder weitgehend bekannt sind, ist die Ermittlung ziviler Opfer äußerst schwierig. Zu Opfern zählen nicht nur getötete, sondern auch körperlich und seelisch Verletzte sowie mittelbar durch Kriegshandlungen in Folge von Unterernährung, Erkrankung, Verletzung oder durch Suizide vorzeitig verstorbene Menschen. Relativ gut dokumentiert sind in Konzentrations- und Zwangsarbeiterlagern inhaftierte und verstorbene Zivilisten. Bekannt sind auch Zahlen einiger Massenexekutionen, die wahrscheinlich aber nur als Spitze eines Eisberges zu werten sind. Über Zahlen von Opfern durch Handlungen der Wehrmacht liegen nur wenige präzise Daten vor. Insgesamt ist die Dunkelziffer hoch, weshalb Schätzungen oft stark abweichende Zahlen annehmen. Grobe Schätzungen der Gesamtzahl aller Todesopfer des Zweiten Weltkriegs reichen von 60 bis 80 Millionen Menschen.(32)

Schätzungen von Gesamtzahlen aller Opfer von Wehrmachtshandlungen sind nicht bekannt und wahrscheinlich auch nicht möglich. Sexualverbrechen und andere Gräuel deutscher Soldaten der Wehrmacht an der Zivilbevölkerung wurden i.d.R. nicht disziplinarisch oder juristisch verfolgt und sind aufgrund fehlender Daten weitgehend unerforscht. Daher lässt sich die Anzahl begangener sexueller Gewaltverbrechen nicht seriös schätzen. Sexuelle Gewaltdaten deutscher Soldaten insbesondere an sowjetischen Frauen gelten jedoch nicht als Ausnahmen.(33)
 
Zitierte Zahlen der hier aufgeführten Aufstellung beruhen auf einer Auswahl als relativ zuverlässig angenommener Schätzungen über durch Wehrmachtshandlungen getöteter Zivilisten.
  • Aus der Auslieferung jüdischer und politischer Kriegsgefangener an NS-Sicherheitsdienste resultieren nachgewiesene 140.000 Opfer. Schätzungen belaufen sich auf 600.000 Opfer.(34)
  • Ca. 3,3 bis 3,7 Millionen bzw. 57 % bis 63 % aller sowjetischer Kriegsgefangener starben in Gefangenschaft.(35)
  • NS-Strategie plante in Osteuropa eine Dezimierung der vermeintlich rassisch minderwertigen slawischen Bevölkerung um 30 Millionen Menschen durch Aushungern.(36)
  • Während der Belagerung von Leningrad (St. Petersburg) vom 08.09.1941 bis 27.01.1944 plante die deutsche Wehrmacht die Vernichtung Leningrads durch systematisch herbeigeführten Hungertod. Über fast 28 Monate Blockade verstarben gemäß seriöser Schätzungen ca. 1,1 Millionen Menschen der Leningrader Bevölkerung, davon 90 % durch Hungertod.(37)
  • Historiker schätzen, dass der Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion 17 Millionen sowjetischen Zivilisten das Leben kostete.(38)
  • Die Gesamtzahl polnischer Kriegsopfer beträgt gemäß aktuellem Stand der Forschung 5,65 Millionen Menschen, darunter ca. 3 Millionen polnische Juden und 150.000 durch die sowjetische Besetzung gestorbene Menschen.(39)
  • In Serbien sind durch ‚Sühneaktionen‘ der Wehrmacht und der SS ca. 80.000 Zivilisten in Massenexekutionen getötet worden. Die meisten Täter blieben straffrei. Hochrangige Verantwortliche kamen mit glimpflichen Gefängnisstrafen davon.(40)

6 Ende des Zweiten Weltkriegs


Zum Kriegsende flüchteten ca. 12 Mio. Menschen ohne Hab und Gut aus ehemals deutschen Ostgebieten nach Westen. Es ging um das nackte Leben. Viele unter ihnen haben die Flucht nicht überlebt. Gemäß Schätzungen sind zwischen 400.000 und 2 Mio. deutsche Flüchtlinge auf der Flucht verstorben.(41) In Grenzen von 1937 gingen durch den Zweiten Weltkrieg 24 % des deutschen Staatsgebiets verloren.(42) Nach Ende des Kriegs befanden sich 11,5 Mio. deutsche Soldaten in Kriegsgefangenschaft, von denen ca. 1/3 in Kriegsgefangenschaft verstarben.(43)

Am 8. Mai 1945 unterschrieb Generalfeldmarschall Keitel die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht.(44) Der Zweite Weltkrieg endete damit in Europa, jedoch noch nicht im pazifischen Raum. Nach Abwürfen von 2 Atombomben durch die US-amerikanische Luftwaffe auf die japanischen Städte Hiroshima (5. August 1945) und Nagasaki (9. August 1945) verkündete der japanische Tennō per Rundfunkansprache am 15. August 1945 die Kapitulation Japans, die am 2. September unterzeichnet wurde. Damit war der Zweite Weltkrieg weltweit beendet.

Am Krieg waren mehr als 60 Staaten mit mehr als 110 Mio. Soldaten beteiligt. Die Zahl unmittelbarer Kriegstote wird mit 60 - 65 Mio. angegeben. Mit Berücksichtigung von Verbrechen und ihren Folgen werden 80 Mio. Tote geschätzt.(45) Allein durch den Abwurf der beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki starben 100.000 Menschen sofort (andere Quellen sprechen von 200.000 Toten oder mehr). An Folgeschäden starben 130.000 Menschen noch im Jahr 1945 und viele weitere Menschen in Folgejahren.(46) Ob der Abwurf der Atombomben als militärisch gerechtfertigt gelten kann, ist eine Frage, die seit mehr als 70 Jahren kontrovers diskutiert wird.


6.1 Flucht von NS-Kriegsverbrechern auf 'Rattenlinien' und Rolle der Kirchen
 
Zahlreiche NS-Kriegsverbrecher konnten nach dem Zweiten Weltkrieg über 'Rattenlinien' und teilweise unter Beteiligung der katholischen Kirche auf 'Klosterrouten' über Südtirol und Norditalien oder über Spanien nach Südamerika fliehen und dort  vor allem nach Argentinien fliehen.(47) Mit der Rolle des Vatikans setzt sich der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom in einer Buchbesprechung kritisch auseinander.(48,49) 
 
‚Klosterrouten‘ und ‚Rattenlinien‘ waren eine Spezialität der katholische Kirche, aber mit der NS-Diktatur kollaborierte nicht nur die katholische Kirche, sondern auch Teile der evangelischen Kirche riefen Gläubige zur „Pflichterfüllung“ für das Vaterland auf und setzten sich in Gnadengesuchen für verurteilte NS-Kriegsverbrecher ein.(50) 
 
Starke Strömungen innerhalb der evangelischen Kirche führten 1932 zur Gründung der Kirchenpartei Deutsche Christen und 1933 zur Gründungen der Deutschen Evangelischen Kirche als Vereinigung der evangelischen Landeskirche. Beide Einrichtungen verfolgten das Ziel, den deutschen Protestantismus an den Nationalsozialismus anzugleichen und vom Judentum zu ‚reinigen’ bzw. den Protestantismus zu ‚entjuden‘. 11 evangelische Landeskirchen gründeten 1939 das bis 1945 bestehende pseudo-wissenschaftliche Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben (Entjudungsinstitut) mit der Aufgabe zur ‚Entjudung‘ des Neuen Testaments und der ‚Arisierung‘ von Jesus.(51)
 
Die sich der Gleichschaltung widersetzende Bekennende Kirche war keine Widerstandsbewegung, sondern sie wendete sich vor allem gegen Einflüsse des Nationalsozialismus auf Kirchenpolitik. Große Teile bekannten sich zum ‚Führerstaat‘ und zum Zweiten Weltkrieg.(52) In freikirchlichen Gemeinden organisierte pietistische Bewegungen sympathisierten überwiegend mit dem Nationalsozialismus und betrachteten die Judenverfolgung als gerechte göttliche Bestrafung für die Kreuzigung Jesu und die Ablehnung des Neuen Testaments.(53) Einrichtungen der von Bodelschwinghschen Stiftung Bethel haben sich 1940/1941 an Selektionen im Rahmen des Euthanasieprogramms „Aktion T4“ beteiligt, was Verantwortliche der Einrichtung lange zu verheimlichen versuchten, aber mittlerweile bestätigt ist.(54)

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