Dienstag, 17. Dezember 2024

Warum schenken? Anmerkungen zur sozialen Institution des Geschenkaustausch

Advent-Arrangement

Weihnachten klopft an der Tür. Seit Wochen zieht Plätzchenduft durch das Haus, das Weihnachtsessen ist bereits geplant und letzte Geschenkvorbereitung laufen. Nachdem sich der letzte Weihnachtspost vor allem mit Brauchtum anlässlich des Weihnachtsfestes befasst hat, schaut dieser Post auf Regeln sozialer Ritualen des Geschenkaustauschs. Themen des Posts sind Rituale, Regeln, soziale Funktionen. Explizit wissen die meisten Menschen vermutlich wenig über in Ritualen des Schenkens geltende Regeln und wenden sie trotzdem an, weil sie es gelernt haben und wissen, dass solche Rituale nicht ignoriert werden dürfen. Ignorieren gilt als Gleichgültigkeit und kann Feindseligkeit provozieren. Das Leben ist einfacher und schöner, wenn Menschen keine Feinde und viele Freunde haben. Hierzu verhelfen Geschenke. Weitere Posts der Weihnachtsserie:


Universalität von Schenkritualen

Schenkrituale beschränken sich keineswegs auf Menschen, sie sind auch im Tierreich verbreitet. Wie im Tierreich Geschenke potenzielle Sexualpartner willig stimmen, beschreibt ein Artikel in Natural Geographic: „Mäuse-Kebab“ und Speichelkleckse: Seltsame Geschenke aus dem Tierreich. Menschen sind auch nur Tiere und verhalten sich daher ähnlich, aber andere, weniger offensichtliche Motive kommen hinzu. Um diese geht es hier.

Über sexuelle Partnerschaft hinausgehende tiefere Bedeutungen sozialen Austauschs von Geschenken rätseln und diskutieren insbesondere Kulturwissenschaftler und Soziologen schon lange. Wie so oft, sind Annahmen über Sinngehalte nicht eindeutig als Beweise zu belegen. Daher sind konkurrierende Erklärungen zu finden, über die wir uns hier nicht im Detail ausbreiten wollen. Wissenschaftler verschiedener Disziplinen sind sich jedoch sicher, dass Geschenkaustausch ein universelles Sozialverhalten darstellt, dass in der Evolution von Menschen so weit zurückreicht, dass Ursprünge nicht mehr verlässlich rekonstruierbar sind. 

Als sicher gilt, dass erst vor wenigen tausend Jahren entstandene Wirtschaftssysteme des Handels auf Märkten mit Waren und Dienstleistungen über kulturelle Zwischenstufen von Schenkökonomie aus sehr viel älteren ursprünglichen Schenkritualen hervorgegangen sind, deren Prinzipien bis heute gelten. In Schenkökonomien leiten Geschenke den Warentausch ein und begleiten ihn. Austausch von Geschenken zeigt, ob Geschäftspartner seriös und vertrauenswürdig sind. Reste von Schenkritualen sind in neuzeitlichen Wirtschaftssystemen noch immer wirksam, weil sie für das Funktionieren des Systems erforderlich zu sein scheinen.

Leitende Manager laden sich wechselseitig zu Geschäftsessen, zu Events, zum gemeinsamen Golfen etc. ein. Wer sich vom Durchschnitt abheben möchte, stellt Privatflugzeuge, Yachten und großzügige Feriendomizile zur Verfügung und beschafft teilweise kopulierwillige junge Körper. Ein Schelm, wer Böses denkt? Die Jeffrey Eppstein Affäre öffnet Blicke in Abgründe. Aspekte wirtschaftlichen Handelns und von MeToo-Affäiren erwähnt vorliegender Text lediglich, ohne ihnen weiter nachzugehen. Dieser Text beschränkt sich auf universelle Prinzipien des Schenkens, deren Symbolik und Regeln über sämtliche sozialen Felder gültig sind, von privaten Zweierbeziehung bis in Strukturen von Großkonzernen und in Sphären politischer Spitzen. 

Symbolik des Schenkens

Den meisten Menschen sind Symbolik und Regeln nicht oder nur schwach bewusst, aber sie kennen die Regelwerke und bemühen sich gewöhnlich um deren Einhaltung. In der Zeit einer langen Vorgeschichte haben sich Symbole und Regelwerke verändert. Generelle Verhaltensweisen des Schenkens haben sich jedoch über die lange Kulturgeschichte des Schenkens höchstwahrscheinlich kaum oder nur wenig verändert, sodass Bedeutungen des Schenkverhaltens generalisierbar sind.

Eine wichtige Eigenschaft eines Geschenks besagt, dass Geschenke nicht nur zweck- oder nutzendienlich sein dürfen und erst als Symbol zum Geschenk werden. Gegenstände oder Verhalten werden zum Symbol, wenn sie mit zusätzlicher Bedeutung ausgestattet sind, die Beteiligten einer Interaktion bekannt ist. Das Symbol, also Gegenstand und/oder Verhalten (Verhalten kann auch gegenstandslos sein), ist bildlich gesprochen mit Bedeutung aufgeladen. Unabhängig davon, wie groß oder klein ein Geschenk ausfällt, denken Beschenkte bewusst oder unbewusst darüber nach, ob das Symbol zum Anlass passt und sich der Schenkende bei der Auswahl des Geschenks bemüht hat, dem Beschenkten eine Freude zu bereiten. Gegenüber Kindern funktioniert das zunächst noch nicht, weil sie im Rahmen ihrer Sozialisation erst lernen müssen, Symbole zu verstehen und Bedeutungen zu erkennen.

Ritualisierung des Schenkens, Vermittlung und Kulturabhängigkeit von Ritualen

Eine Besonderheit von Geschenken besteht in erkennbaren Bezügen zur beschenkten Person sowie in vermeintlicher Großzügigkeit und Uneigennützigkeit des Schenkenden. Personenbezogenheit, Bemühen und Großzügigkeit sind Indikatoren für Größe der Wertschätzung zwischen einem Schenkendem und jeweils Beschenkten. Das verstehen sogar bereits Kinder. Sie müssen aber erst noch lernen, dass die Annahme eines Geschenks eine implizite Verpflichtung zu einer Rückgabe enthält. Diese muss nicht unmittelbar stattfinden, wie an Weihnachten oder bei Einladungen, sondern sie ist auch zeitlich verzögert möglich, etwa anlässlich Geburtstagen, zu Großereignissen wie Geburt, Taufe, Hochzeit etc. oder bei zahlreichen anderen Gelegenheiten. Implizite Regeln des Schenkrituals erfordern, dass Zeitpunkt und Größe von Geschenk und Gegengeschenk in einem angemessenem Verhältnis zum Ereignis stehen müssen.

Hier wird es natürlich kompliziert. Was ist angemessen und wie ist Angemessenheit zu bewerten? Diese Regeln sind nicht nur nirgendwo aufgeschrieben, sie variieren auch familiär und landschaftlich sowie mit sozialem Status und mit Wohlstand. Weihnachtsgeschenke brachte in der eigenen Familie das Christkind am frühen Abend, indem es durch ein Fenster huschte, das Erwachsene kurz öffneten. Als Kinder hätten wir gerne hinter Geheimnisse des weihnachtlichen Schenkrituals geschaut, aber Schenkrituale waren mit Tabus belegt, die Kindern keine Beobachtung erlaubte. Ein Bruch dieser Tabus hätte das Christkind ohne Abgabe von Geschenken abgeschreckt. Dieses Risiko wollten wir nicht eingehen. Nach einigermaßen glimpflich überstandenem Nikolaustag haben wir Kinder uns bis Weihnachten ganz besonders um Folgsamkeit gegenüber den Eltern bemüht, weil es hieß, dass das Christkind nur liebe Kinder beschenkt und unartige Kinder übergangen werden. Wir haben uns angestrengt und glaubten, dieses Risiko zumindest weitgehend ausgeschaltet zu haben. Trotzdem brachte das Christkind nicht die sehnlich erwünschten Geschenke wie Tretroller, Kinderfahrrad oder Lederfußball und Fußballschuhe, sondern eher praktische Dinge wie einen neuen Pullover, einen Schulatlas oder auch Bücher, Gesellschaftsspiele etc.. Wie konnte das sein? Schon damals hatten wir den Verdacht, dass mit der Geschichte etwas faul ist.

Nachfragen waren ebenso tabuisiert wie Fragen danach, wer oder was das Christkind ist, wo es herkommt, wo es hingeht, weshalb Geschenke durch ein Fenster reicht und sich gegenüber Kindern nicht zeigt usw.. Wir wussten lediglich, dass eine Verbindung zur Geburt Jesu vor ca. 2000 Jahren besteht, die am Weihnachtsfest gefeiert wird. Aber die genauere Art der Verknüpfung zwischen dem historischen Ereignis und dem Weihnachtsfest war völlig nebulös. Rätselhaft nebulös war auch, dass in der Nachbarsfamilie die Bescherung erst gegen Mitternacht stattfand und Geschenke nicht das Christkind durch ein Fenster, sondern der Weihnachtsmann durch den Kamin überreichte. Dass in diesem Nebel jährlich zu unterschiedlichen Tageszeiten in der einen Familie ein Christkind und in der anderen Familie ein Weihnachtsmann aus einem wie auch immer zu verstehenden Himmel anreist, um Kinder zu beschenken, war als unerklärbar hinzunehmen. 

Nach Entlarvung des Christkinds als Phantasieprodukt kultureller Mythen und Legenden war für uns Kinder der Verlust dieses Zaubers eine riesige Enttäuschung, unter der die Vertrauenswürdigkeit Erwachsener nachhaltige Schäden erlitt. Seit diesem Bruch wurden wir Kinder angehalten, Geschenke für Erwachsene der eigenen Familie vorzubereiten. Allmählich verstanden wir auch, dass Weihnachtsriten der eigenen Familie protestantisch und der Nachbarsfamilie katholisch geprägt sind und dass diese Unterschiede viel weiter reichen und aus ihnen deutlich größere Geheimnissen resultieren, die das Denken als rational nicht begründbare Stereotype vergifteten sowie Misstrauen gegenüber Menschen der jeweils anderen Religion schüren und soziale Bruchlinien markieren. 

Rituale sowie Bedeutungen von Symbolen und Angemessenheit diffuser Bewertungsmaßstäbe werden in kultureller Sozialisation vermittelt und gelernt, jedoch nicht als feste Größen, sondern als abstrakte Prinzipien, die über soziale Kontexte von Lebensräumen variieren.  Rituale erlernen wir mit ihren Regeln und Symbolen für die eigenen Lebensräume. In diesen Kontexten kennen wir sie und wenden wir sie an, obwohl wir oft nicht wissen, weshalb wir sie anwenden.  Schwieriger wird es über Grenzen von Lebensräumen und erst recht über kulturelle Grenzen hinweg, weil unterschiedliche Rituale jeweils eigene Regeln und Symbole erfordern und diese mit unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen sein können. Im Privatleben reichen Toleranz und die Erkennbarkeit positiven Willens aus, um Irritationen zu vermeiden. Delegierte von Politik, Wirtschaft, Diplomatie in fremden Kulturen müssen jedoch kulturelle Besonderheiten des Geschenkaustauschs sowie anderer Rituale und Verhaltensprinzipien fremder Kulturen erst zusätzlich lernen, damit sie keine groben Fehler begehen und in keine Fettnäpfchen treten.

Ob für die Eheschließung ein Brautpreis zu entrichten ist und wie hoch dieser ist, ob die Braut mit einer Mitgift auszustatten und was diese umfasst, wie das Hochzeitsfest zu veranstalten ist, welche Rituale erforderlich sind, welche Gäste einzuladen sind und was diese schenken müssen, welche Dresscode für teilnehmende Personen gilt, welchen Namen das frisch verheirate Paar annimmt und wo es seinen Wohnsitz bezieht, sind nur Ausschnitte eines viel umfassenderen kulturell geprägten Regelwerks. Wenn wir von (sub-)kulturellen Unterschieden absehen, bereiten uns diese Regeln keinen grundsätzlichen Probleme. Beispielsweise wissen wir, dass ein Geschenk anlässlich eines Heiratsantrags ganz anders ausfallen muss als ein Geburtstagsgeschenk oder ein kleines Geschenk für eine Gefälligkeit, und dass ein Hochzeitsgeschenk ein ziemlich großer Bocken sein muss. 

Regeln des Schenkens

Geschenke zu Großereignissen sollten Schenkende generell als ein Opfer erbringen bzw. selbst so spüren und Beschenkte als solches auffassen. Opfersymbole haben eine besondere zusätzliche Qualität der Bedeutung, aber sie sind nicht selbstlos. Opfer müssen Opfernden Schmerzen bereiten, um Ernsthaftigkeit und Bedeutsamkeit des Rituals gegenüber Empfängern nachzuweisen. Die Annahme eines Opfers beweist Wohlwollen von Empfängern und verpflichtet sie zu bedeutenden Gegenleistungen.  Selbstverständlich bestehen Spielräume , die jedoch eher eng sind. Wenn Regeln innerhalb von Spielräumen keine ausreichende Beachtung finden, entstehen Fragen, Ärger, Verdruss, die das soziale Verhältnis zwischen Beschenktem und Schenkenden erheblich belasten können.

Unsentimental betrachtet, stiften Geschenke in sozialen Interaktionen Vertrauen, Verpflichtungen und Zusammenhalt und werden daher im Privatleben zu kulturell festgelegten Anlässen regelmäßig praktiziert. Bei eher unwichtigen oder nur flüchtigen Interaktionen bleiben kleine Gefälligkeiten unauffällig. Wenn ein großes Geschenk überreicht wird, soll es ein für den Schenkenden günstiges Verhalten bewirken. Geschenke haben den Charakter von Krediten, die Beschenkte mit Zinsen in nicht genau bestimmbarer Höhe zurückzahlen müssen. Große Geschenke genießen privat hohe Aufmerksamkeit und geraten nicht in Vergessenheit. Beteiligte kennen diese nicht kodifizierten Regeln, die Entgegennahmen von Geschenken kompliziert machen können. 

In verwandtschaftlichen Beziehungsnetzwerken ist der Austausch von Geschenken üblich und weitgehend unstrittig. In öffentlichen Bereichen von Politik und Wirtschaft und im Beamtenapparat sind Geschenke zwar global verbreitet, aber Regeln sind undurchsichtiger. In Rechtssystemen neuzeitlicher westlicher Kulturen gelten Menschen als gleichwertig und müssen gemäß rechtsstaatlicher Prinzipien im öffentlichen Raum gleichartig behandelt werden. Das verkompliziert Schenkrituale und schließt sie teilweise aus. Verbote funktionieren nicht immer und überall, aber prinzipiell gelten Geschenke gemäß rechtsstaatlicher Normen als Bestechung und werden daher reglementiert, streng überwacht und unter Umständen als Korruption strafrechtlich verfolgt. Beamte sind nur ihrem Dienstherren und sonst vielleicht noch ihrem Gewissen verpflichtet. Lehrer dürfen grundsätzlich keine Geschenke annehmen, andernfalls begehen sie ein sanktionierbares Dienstvergehen. In der Grauzone ist jedoch bis zu einem Wert von 10 € keine Bestrafung zu befürchten. Verwaltungsbeamten ist lediglich die Annahme kleiner Aufmerksamkeiten bis zu einem Wert von 25 € gestattet, um nicht der Vorteilsannahme nach § 331 StGB beschuldigt werden zu können. Die Annahme von über 25 € hinausgehenden Werten ist zustimmungspflichtig und kann in Ausnahmen genehmigt werden. Zulässigkeit sowie Melde- und Veröffentlichungspflichten von Parteispenden sind abhängig von der Höhe gesetzlich geregelt, was längst nicht immer beachtet und bei Auffälligkeit strafrechtlich verfolgt wird.

Allerdings sind im politischen Lobbyismus verdeckte Geschenke weit verbreitet und werden hin und wieder als Schmiergeldaffären bekannt. Keine der traditionellen Parteien hat in Deutschland eine reine Weste. Wo es um große Summen in der Politik und in der Wirtschaft geht, gelten für Geschenke strenge Corporate Governance und Compliance Regeln. Über kulturelle Grenzen hinweg kann das besondere Schwierigkeiten erzeugen. Der als exemplarisches Beispiel genannte Siemens-Konzern ist ein weltweit führendes Unternehmen im Kraftwerksbau, in dem des um riesige Geldsummen geht. Um vor allem in einigen orientalischen, asiatischen, afrikanischen Ländern ins Geschäft zu kommen, erwarten verantwortliche Entscheider oft hohe Schmiergelder, die bei Auftragsvergaben nachweisbar geflossen sind.

Ob und in welchem Umfang Heinrich von Pierer zunächst als Vorstandsvorsitzender und später als Aufsichtsratsvorsitzender von diesem Sachverhalt Kenntnis hatte, wurde öffentlich nie zweifelsfrei geklärt, aber an der Konzernspitze lagen Korruptionsvorgänge in seiner Vernatwortung. Heinrich von Pierer ist abgestürzt, nachdem er zeitweilig sogar als Bundespräsidentenkandidat im Gespräch war. Jedenfalls hätte ihn Angela Merkel gerne als Bundespräsidenten gesehen. Die Korruptionsaffäre hat das erledigt. Ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen ihn wurde gegen ein Bußgeld in unbekannter Größenordnung aufgehoben. An den Siemens-Konzern zahlte von Pierer eine Entschädigung über 5 Millionen €, wobei es sich um eine symbolische Summe handelt, die er mit einem Pensionsanspruch von vermuteten 6 Millionen € verrechnen konnte. Aber innerhalb Deutschlands fließen Schmiergelder und sind versteckte Kartellabsprachen keine Seltenheit. Besonders berücksichtigt sind die Bauwirtschaft und der Gebrauchtfahrzeughandel.

Soziale Funktionen des Schenkens

Das Siemens-Beispiel soll lediglich zeigen, wie ernst und wichtig Geschenkregeln sind und dass sie nicht nur im privaten Bereich Bedeutung haben, sondern dass es sich um archaische Verhaltensregeln handelt, die Symmetrie im Sinne fairer Rückgabe erfordern und bis heute im gesamten sozialen Raum gelten. Als eines von zwei Grundprinzip gilt der Kreditcharakter von Geschenken. Dieser beruht auf dem archaischen Prinzip des Do ut des oder Tit fot Tat mit der Bedeutung ‚Ich gebe, damit du gibst und erwarte einen gleichwertigen Ausgleich‘. Negativ gewendet heißt dieses Prinzip dann Auge um Auge und Zahn um Zahn' oder Faust auf Faust, mit der Bedeutung ‚Wie du mir, so ich dir‘. Kredite erfordern Vertrauen und erzeugen Vertrauen. Kredit wird nur gegeben, wenn Rückzahlung zu erwarten ist. Vertrauenswürdigkeit ist zwar nur schwer zu berechnen, aber sie gilt als Sicherheit. Wenn die Rückzahlung unsicher sein könnte, müssen Sicherheiten hinterlegt werden. Größen von Sicherheiten und Zinsen zu Unsicherheiten variieren über Vertrauen. Ohne Vertrauen gibt es keinen Kredit.

Verkettungen von Geschenken stiften Freundschaften. Freundschaften basieren nicht auf ausgehandelten Preisen, Rechten, Pflichten, sondern auf gegenseitigem Vertrauen in verlässliche Hilfe bei Notfällen. Geschenke sind der Kitt dieser Vertrauensbildung. Wissenschaftlich betrachtet stoßen wir bei Tiefbohrungen auf eine weitere uralte soziale Regel, die Symmetrie verlangt. Geschenke erfordern Beachtung von symmetrischen Prinzipien der Gegenseitigkeit (wissenschaftlich Reziprozität), die erst Kooperation zwischen Menschen möglich macht und bei Nichtbeachtung Kooperationen stört oder zerstört. Wenn keine Einigkeit über Symmetrieregeln besteht, kommen keine Kooperationen zustande. Wenn vereinbarte Symmetrieregeln oft und willentlich verletzt werden, gehen Kooperationen unter. Allerdings sind das Einhalten von Regeln über längere Zeiträume und Nachjustierungen oder Anpassungen an veränderte Bedingungen keine leicht zu bewältigende Aufgaben. Die Ehescheidungsquote von 35,7 % in Deutschland im Jahr 2023 macht deutlich, wie schwierig das ist.    

Ausnahmen bilden Almosen und Spenden an gemeinnützige Einrichtungen. Almosen und Spenden werden verteilt, ohne eine direkte Gegengabe zu erwarten. Gegengaben können aber auch indirekt zurückgezahlt werden, jedoch i.d.R. nicht materiell, sondern symbolisch als Dank. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Im gesetzlich Rahmen nachweislich geleistete Spenden können mit der Einkommenssteuer verrechnet werden. Wichtiger sind jedoch Aspekte indirekter Gegengaben. Dank verbuchen Spender auf ihrem persönlichen Sparkonto guter Werte, das vielleicht irgendwann mit weniger guten Taten verrechnet wird. Wer weiß das schon? Aber selbst wenn gute Werte in keiner transzendenten Sphäre Berücksichtigung finden, sind sie nicht wertlos. Sie fördern positives öffentliches Ansehen von Personen, das sich möglicherweise an ganz anderer Stelle auszahlt. Vor allem zahlreiche öffentlichen Kultureinrichtungen, die in öffentlichen Budgets meistens hinten anstehen müssen, können oft nur dank großzügiger Kulturstifter leben. Großzügigkeit von Kulturstiftern dokumentieren Begünstigte vielfältig öffentlich, wovon Begünstigte und Kulturstifter profitieren. Selbst dann, wenn gute Werke anonym bleiben, verweisen sie demonstrativ auf Förderungswürdigkeit kultureller Einrichtungen und tragen auf Seiten von Stiftern zu einem positiven Selbstbild bei, das der eigenen Lebenszufriedenheit dient.

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