Montag, 20. April 2020

Corona-shutdown Q1/2020, Teil 2: Erst globales Versagen, dann globales Krisenmanagement

Our World in Data: Coronavirus Desease, CC-SA 4.0
Our World in Data: Coronavirus Desease, CC-SA 4.0
"So viel Wissen über unser Nichtwissen und über den Zwang, unter Unsicherheit handeln und leben zu müssen, gab es noch nie."
(Jürgen Habermas im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger auf die Frage, wie er die Corona-Krise erlebt)

Dieser Post ist der 2. Teil einer Post-Serie über den Ausbruch der Corona-Pandemie ab Jahresbeginn bis April 2020. Der Post betrachtet mit der 'Soziologenbrille' in 3 Kapiteln den Ausbruch der COVID-19-Pandemie (Corona-Pandemie) im Kontext internationaler Politik und geht der Frage nach, ob sich Muster identifizieren lassen, die auf Zusammenhänge zwischen Gesellschaftssystemen, Strategien der Pandemiebekämpfung und Reaktionen der Bevölkerung verweisen. Den Stand des Wissens und des Geschehens dürften neue Erkenntnisse und Prozesse bald überholen. Auf Entwicklungen werden weitere Posts eingehen.


Corona-shutdown Q1/2020, Teil 1
Teil 1 betrachtet in 4 Kapiteln Hintergründe, Entwicklungen, Rahmenbedingungen der Krise und strategische Optionen ihrer Bewältigung: Corona-shutdown Q1/2020, Teil 1: Total normal in der besten aller Welten







Corona-shutdown Q1/2020, Teil 3
Teil 3 betrachtet die Ausbreitung der Pandemie in Deutschland bzw. den Umgang von Politik, öffentlichen Institutionen und Bevölkerung mit der Corona-Krise und wagt einen Ausblick auf die weitere Entwicklung: Corona-shutdown Q1/2020, Teil 3: Die Ausbreitung der Pandemie in Deutschland, Ausblick und einige Fragen grundsätzlicher Art






Informationsquellen, Datenportale & Datenreihen
In einem separaten Post sind Übersichten zu fortlaufend aktualisierten Informationsquellen und Datenportalen aufgeführt sowie selbst zusammengestellte vergleichende Datenreihen der Entwicklung dokumentiert: Informationsquellen, Datenportale & Datenreihen zur Corona-Pandemie






 
Wie gehen politische Systeme mit der Corona-Pandemie um und wie wirkt sich die Krise auf das Alltagsleben aus?
Soziologische Denkweise erwartet Zusammenhänge zwischen spezifischen politischen Systemen, ihren sozialen Strukturen und in ihnen vorherrschenden Lebensbedingungen einerseits sowie andererseits kollektiven Verhaltensmustern. Gemäß dieser Denkweise geht dieser Post im Kontext der Corona-Krise den Fragestellungen nach:
  • Wie reagiert Politik initial auf den Ausbruch der Corona-Pandemie?
  • Welche Zusammenhänge genereller Art sind zwischen Politik und kollektivem Verhalten zu erkennen? 
  • Welche Modelle politischer Kulturen bevorzugen welche Muster der Vorgehensweise zur Bekämpfung der Krise?
Bezüglich der Corona-Krise verantwortet jedes Land politisch seine eigenen Vorgehensweisen. Politik folgt jedoch Mustern, die nur teilweise von länderspezifischen Eigenheiten beeinflusst sind. Kollektives Verhalten von Menschen zeigt ebenfalls Muster. Kernthema von Teil 2 dieses Posts ist die Identifizierung politischer Entscheidungsmuster von Regierungen und kollektiver Verhaltensmuster von Regierten im Kontext der Corona-Krise.


1 Initiale globale Reflexe auf den Ausbruch der Corona-Pandemie
Aufgrund von Erfahrungen aus vorausgegangenen Pandemien sind Erfolgsfaktoren der Eindämmung von Pandemien bekannt und in Katastrophenplänen benannt. Katastrophenmaßnahmen erfordern
  • umfassende Tests, 
  • Isolierung Infizierter, 
  • Nachverfolgung von Infektionsketten, 
  • Einschränkungen von Kontakten, 
  • Überwachung der Maßnahmen, 
  • Akzeptanz der Bevölkerung.
In Dimensionen einer Pandemie lassen sich Maßnahmen dieser Art nicht aus dem Hut zaubern. Sie müssen vorbereitet sein und erfordern zu ihrer Umsetzung einen leistungsfähigen Krisenstab. Nicht alle Maßnahmen sind 1:1 in allen Ländern anwendbar. Methoden der Überwachung müssen mit datenschutzrechtlichen Vorschriften der jeweiligen Länder kompatibel sein. Darüber hinaus macht die Organisation Freedom House (siehe 6.2.3.1) darauf aufmerksam, dass der Ausbruch des Coronavirus Demokratie und Menschenrechte vor eine Reihe neuer Herausforderungen stellt:(1)
  • Repressive Systeme nutzen die Pandemie für eigene Interessen auf Kosten von öffentlicher Gesundheit und Grundfreiheiten.
  • Offene Gesellschaften stehen unter dem Druck, zur Bewältigung der Pandemie Beschränkungen zu akzeptieren, die Rechte und Freiheiten nachhaltig beeinflussen können.

Trotz alarmierender Nachrichten aus China stellte sich unabhängig vom jeweiligen Gesellschaftsmodell zunächst ein globaler Untätigkeits-Reflex ein. Regierungen nahezu aller Länder schätzten die drohende Gefahr reflexhaft als mäßiges Risiko oder als lokales Problem, wenn nicht gar als unnötige Hysterie ein. Vorbereitete Pandemiepläne verbleiben in Ablagen. Politische Haushaltspläne und Wirtschaftsinteressen genießen höhere Priorität. Initiale politische Reaktionen lassen mehrere Faktoren bzw. Faktorenbündel vermuten:
  • Befürchtungen, der eigenen Volkswirtschaft durch falsch konfigurierte oder falsch getimte Maßnahmen zu schaden
  • Befürchtung panischer Reaktionen der Bevölkerung
  • Befürchtung von Vertrauensverlusten in der Bevölkerung, Wahlniederlagen, Machtverlust
  • Vermeidung von Verantwortung
  • fehlender Entscheidungsmut
  • Inkompetenz
Lediglich Südkorea, Singapur, Taiwan, Vietnam zeigen sich auf die Pandemie vorbereitet. Diese Länder nehmen die Bedrohung ernst und reagieren frühzeitig mit einem der Situation angemessen Krisenmanagement, das der sich ausbreitenden Pandemie mit konsequenten Maßnahmen entgegenstellt. Obwohl die Pandemie in Europa und auf allen anderen Kontinenten außerhalb Asiens mit zeitlicher Verzögerung eintrifft, bleiben Chancen eines situationsgerechten Krisenmanagements ungenutzt. Lediglich Regierungen von Dänemark, Griechenland und Portugal ergreifen noch rechtzeitig umfassende Maßnahmen. Sofern bekannte Zahlen valide sind, zeigen sie, dass genannte Länder vieles richtig gemacht haben. Die richtige Strategie zur rechten Zeit belohnt mit
  • vergleichsweise niedrigen Fallzahlen,
  • lediglich moderaten Einschränkungen des öffentlichen Lebens, 
  • relativ geringen Belastungen der Wirtschaft, 
  • Zustimmung von weiten Teilen der Bevölkerung,  
  • voraussichtlich überschaubaren Langzeitfolgen.


2 Globale Reaktionen nach initialer Untätigkeit

2.1 Regierungspolitik
Der Rest der Welt verlor zunächst nicht mehr aufzuholende wertvolle Zeit. Mit zunehmender Ausbreitung der Corona-Pandemie wuchs verschärfter Handlungsbedarf. Regierungen konnten sich nicht länger vor Entscheidungen drücken. Mit dem Ausbreitungstempo der Pandemie, der schnell wachsenden Zahl Infizierter und dem Gefahrenpotential der Infektion entstand rasch eine unbeherrschbare Krisensituation, deren Chaos aus mehreren Gründen vermeidbar war:
  • Katastrophenpläne sind von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und von etlichen Ländern erarbeitet.
  • China geht der Krise voraus, bleibt aber zunächst über 2 Monate untätig und demonstriert sowohl die Folgen von Untätigkeit wie auch von konsequentem Lockdown.
  • Ab dem 20. Januar 2020 ist die Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Coronavirus öffentlich bekannt. Jetzt müssten in Ländern außerhalb Chinas Vorbereitungsmaßnahmen anlaufen, aber nur China bekämpft die Ausbreitung in Wuhan mit drastischen Maßnahmen. Die Chance einer planmäßigen Vorgehensweise durch Nutzung des zeitlichen Vorlaufs bis zur Ausbreitung verschenken bis auf genannte Ausnahmen alle Länder außerhalb Chinas. 
Seit dem Ausbruch der Pandemie in China vergingen ca. 2 Monate, bis die COVID-19-Pandemie sich in der Welt ausbreitete (in Italien ist der Zeitraum ca. 2 Wochen kürzer als im restlichen Europa). Im Zeitraum von ca. 2 Monaten hätten Projekte und Krisenstäbe beauftragt werden können, um Vorbereitungen bis zum nationalen Ausbruch der Pandemie zu treffen, z.B.:
  • Implementierung Krisenstäbe,
  • Erarbeitung Maßnahmenkataloge,
  • Entwicklung Kriterienkataloge für politische Entscheidungen, 
  • Kapazitätsausbau medizinischer Einrichtungen,
  • Ressourcenplanung und -beschaffung,
  • Planung Finanzmittelbedarf,
  • Aufbau Informationsinfrastruktur,
  • Beratung politischer Gremien, 
  • Organisation überregionaler Zusammenarbeit und Aufgabenverteilung,
  • Information Bevölkerung, Wirtschaftsunternehmen, Institutionen, Organisationen, Vereine über zu erwartende Risiken, Einschränkungen, Hilfeleistungen,
  • etc.
Stattdessen verharrten Regierungen in Lauerstellung, ließen Zeit ungenutzt verstreichen und trafen bei der Ausbreitung der Pandemie unabgestimmte und teilweise widersprüchliche Ad-hoc-Entscheidungen zu Einschränkungen und Fristen, ohne zu kommunizieren, aufgrund welcher Kriterien Einschränkungsmaßnahmen, Fristen und Aufhebungen von Einschränkungen entschieden werden.(2)
Mangels belastbarer Daten basieren im 1. Quartal 2020 politische Entscheidungen vermutlich nicht auf rationalen Kriterien, sondern beruhen auf 'gefühltem Handlungsbedarf' politisch Verantwortlicher und ihrem Reflex, Vorwürfen politischer Untätigkeit zuvorzukommen. Entschiedene Maßnahmen sind nachvollziehbar. Bei ausreichender Sensibilität für Risiken der Pandemie wären Entscheidungen jedoch früher getroffen worden und anders ausgefallen.

Politiker sind keine Dummköpfe. Sie schützen sich, indem sie ihre Handlungsweise zu unvermeidbaren Sachzwängen erklären. Rhetorische Wendungen verbergen eher Motive, als dass sie Motive preisgeben. Daher darf über Motive spekuliert werden. Politische Haltungen könnten länderunabhängig von mehreren Überlegungen motiviert sein:
  • Auf Effizienz getrimmte Gesundheitssysteme sind bereits vor Ausbruch der Pandemie hoch ausgelastet bzw. in einigen Ländern unzureichend leistungsfähig und sollen vor einem Zusammenbruch bewahrt werden.
  • Die Bekämpfung einer Pandemie erfordert Personal, Finanz- und Sachmittel als Ressourcen, die anderen Bereichen entzogen werden müssen und Konflikte mit der politischen und wirtschaftlichen Agenda unvermeidbar machen. Erst eine entsprechende Größe des Bedrohungspotentials entzieht solchen Konflikten die Nährlösung.
  • Politisches Selbstbewusstsein verhindert die Installierung von Katastrophenprojekten und die Delegation von Handlungskompetenz.
  • Politisches Ego befürchtet Kontrollverlust über eigene Kompetenzen.

2.2 Bevölkerungsreaktionen
Erwartungsgemäß korrespondieren länderspezifisch unterschiedliche Bedingungen mit jeweils unterschiedlichen Bevölkerungsreaktion. Gleichzeitig sind aber auch kulturell geprägte kollektive Verhaltensmuster zu erkennen, denen die beiden folgenden Unterkapitel nachgehen.


2.2.1 Panikeinkäufe ('Hamsterkäufe') 
Berichterstattungen in Medien beschreiben Panikeinkäufe in westlichen Ländern. Ähnliche Reaktionen dürfte es weltweit geben, sie sind aber nicht bekannt. Hinsichtlich Panikeinkäufe sind 2 Sachverhalte von Interesse:
  • Warum finden Panikeinkäufe statt?
  • Was kaufen Menschen ein?
Panikeinkäufe begründen Psychologen als irrationales Krisenverhalten. Politiker beteuern, dass die Versorgungslage sicher sei und keine Engpässe auftreten würden. Trotzdem horten Menschen Vorräte. Nach Auffassung von Psychologen lösen derartige Krisen Angstzustände aus. Um ihre Angst unter Kontrolle zu bringen, reagieren Menschen u.a. mit Panikeinkäufen und decken sich mit haltbaren Artikeln ein, die wichtig für ihr Alltagsleben sind.(3,4)

Die psychologische Erklärung mag plausibel klingen, überzeugen kann sie nicht. Eine Vielzahl längerfristig haltbarer Artikel ist für das Alltagsleben von Bedeutung. Engpässe entstehen jedoch nur bei einer kleinen Auswahl. Bevorratungen von Hygieneartikeln (Toilettenpapier, Einmalhandschuhe, Papierküchentücher, Desinfektionsmittel etc.) sind zunächst unauffällig, weil sie mit Aufrufen zu verstärkter Hygiene erklärbar sind. Außerdem handelt es sich um Verbrauchsgüter, die früher oder später ohnehin genutzt werden.

Entgegen politischer Behauptungen und psychologischer Deutungen handeln Menschen rational, wenn sie annehmen, dass sich bei anhaltender Krise Mängelsituation einstellen werden. Aufschlussreicher als psychologische Deutungen kognitiver Mechanismen sind soziologische Modelle, die Verhalten von Populationen mit kollektiven Verhaltensmustern und sozialen Strukturen erklären:
  1. Gemäß Modell der soziologischen Erklärung (MSE) sind Panikkäufe als Verhaltensmuster vom Typ selbsterfüllende Prophezeiung (bzw. "Herrschaft des Irrtums") zu verstehen, bei der eine Information über eine mögliche Zukunft bewirkt, dass die erwartete Zukunft eintritt.(5) Tatsächlich sind in deutschen Supermärkten und Drogeriemärkten Regale von Hygieneartikeln leer. Nach dem Auffüllen dieser Regale leeren sie sich erneut in kürzester Zeit, obwohl die Artikel rationiert werden. Der Effekt tritt ein, weil
    • nicht glaubwürdige Politker behaupten, dass keine Engpässe bestünden,
    • Artikel rationiert werden,
    • Menschen Politikern nicht glauben und die Rationierung von Artikeln wahrnehmen, sodass sie das Auftreten von Versorgungsengpässe für wahrscheinlich halten. 
    Diese Erklärung versteht kollektives Verhalten als rationales Verhalten. Beschriebenes Verhalten ist als abhängige Variable aufgefasst, auf die soziale Strukturen als unabhängige Variablen einwirken. Soziale Strukturen erzeugen gleichartige Erwartungen und Verhaltensmuster, sodass in der Realität erwartete Versorgungsengpässe als Ergebnis verursacht sind.  
  2. Die Artikelauswahl ist von kulturellen Traditionen und von Erinnerungen kollektiver Gedächtnisse beeinflusst, also von sozialen Strukturen, die nicht an konkrete Personen gebunden sind:
    • Die Nutzung von Toilettenpapier zur Analhygiene ist in zahlreichen außereuropäischen Ländern unüblich. Dass Toilettenpapier in Italien und in Frankreich im Unterschied zu Deutschland nicht gehortet wird, ist auf die Nutzung von Bidets in diesen Ländern zurückzuführen. 
    • In den Niederlanden bilden sich Schlangen an Coffeeshops, weil dort Cannabis für den Privatverbrauch legal erstanden werden kann.
    • In den USA findet ein Run auf Pistolen und Gewehre statt, weil bei drohender Gefahr eine zunehmende Notwendigkeit der Selbstverteidigung verspürt wird. Aus Kollektiven von Verschleppten, Vertriebenen, Verfolgten gewachsene US-Kultur konserviert Misstrauen gegenüber jeder Obrigkeit und ordnet individuelle Schicksale in eigenverantwortliche Sphären ein.
      Waffen schützen nicht vor Mikroben. In der bis heute konservierten Kultur des Rassismus, in der das Faustrecht des Stärkeren gilt, sind sie jedoch nützlich. Weil der Staat vermeintlich oder tatsächlich keinen individuellen Schutz bietet oder Schutzversprechen nicht zu vertrauen wäre, wenn es sie geben sollte, befürchten US-Amerikaner mit der Ausbreitung der Pandemie ein Ausbrechen latent drohender und gegenwärtig unterdrückter sozialer Unruhen. Um sich in sozialen Unruhen schützen zu können, verlangt kulturelle Tradition der USA individuelle Wehrhaftigkeit mit Feuerwaffen. 
    • Nachdem die türkische Regierung am 10.04.2020 zwei Stunden vor Mitternacht ein Ausgangsverbot in 31 Städten ab Mitternacht und vorerst für das Wochenende verhängte, setzten in Istanbul sofort Panikkäufe ein.(6)
    • Neben Hygieneartikel sind in Deutschland haltbare Lebensmittel und Vorräte zum Brotbacken besonders begehrt. Vermutlich erinnern sich Menschen an Narrative über Hungersnöte, die während und nach den beiden Weltkriegen sowie im Zeitraum der Weltwirtschaftskrise viele Opfer forderte.
    • Medien berichten, dass in Frankreich Rotwein und Kondome gehortet werden. Seriöse belegt sind diese Meldungen nicht. Vermutlich beruhen sie auf Vorurteilen. Aber selbst wenn es sich um Fake News handelt, zeigen diese Meldungen, dass kulturelle Einflüsse auf Verhalten als Selbstverständlichkeit gelten und aus diesem Grund zu Vorurteilen werden.
  3. Wenn Menschen trotz propagierter sicherer Versorgungslage Vorräte horten, beruht dieser Sachverhalt nicht auf instinktiven Impulsen, sondern auf geringem Vertrauen gegenüber Politikeraussagen, die als 'politisch' i.S. von 'berechnend' bzw. 'Wahrheit verbiegend' wahrgenommen werden. Panikkäufe verweisen in Regionen mit bedarfsdeckender Versorgungslage auf politische Vertrauenskrisen.
 
2.2.2 Compliance der Bevölkerung gegenüber Corona-Politik und verordneten Maßnahmen
Von Politik verordnete Maßnahmen und Compliance der Bevölkerung variieren von Land zu Land. Gemäß der Annahme, dass soziale Strukturen Verhalten beeinflussen, können Ausgestaltungen von Regierungspolitik und Compliance der Bevölkerung als abhängige Variablen gesellschaftlicher Systeme und ihrer dominierenden politischen Kultur verstanden werden.(7) Compliance wird in diesem Text als Ausprägung von Werturteilen aufgefasst, die auf Wechselwirkungen zwischen invarianten Verhaltensdispositionen und invarianten kulturellen Strukturen beruhen.

Im Rahmen dieses Posts ist nicht beabsichtigt, Compliance Land für Land zu deklinieren, zumal im Alltagsdenken verbreitete Vorstellung von Nationalcharakteren in soziologischen Untersuchungen als Stereotype bzw. Vorurteile widerlegt sind (gleichwohl Einstellungen und Verhalten beeinflussen) und empirisches Datenmaterial zur Compliance der Bevölkerung dürftig ausfällt. Die Validität von Aussagen über Compliance der Bevölkerung ist erst auf Basis solider empirischer Untersuchungen überprüfbar. Diese Untersuchungen fehlen im Kontext der Pandemie. Erklärungsversuche dieses Textes stützen sich auf Meldungen und Medien und darüber hinaus auf Annahmen, die sich als Hypothesen einer direkten Beobachtung entziehen.
  • Invariante Verhaltensdispositionen steuern Entscheidungen zu Handlungsoptionen menschlichen Verhaltens.  
  • Auf Basis kulturell entwickelter Kriterien der Konsensfähigkeit bewerten Menschen Regierungen (bzw. hierarchische Herrschaftsstrukturen) und deren Politik hinsichtlich ihres Grads der Legitimität . 
  • Politische Entscheidungen bewerten Menschen aufgrund von Annahmen über deren individuelle und kollektive Nützlichkeit bzw. Angemessenheit und der Fairness.
  • Compliance lässt sich im politischen Raum als ein Pegel deuten, der Reaktionen auf politische Regierungsentscheidungen misst und dessen Stand aussagt, zu welchem Grad Menschen
    • hierarchische Herrschaftsstrukturen und deren politische Entscheidungen als legitim betrachten,
    • politische Entscheidungen als nützlich und fair bewerten.
Zusätzlich ist zu erwarten, dass eine Reihe von Faktoren positiv oder negativ verstärkend auf den angenommenen Zusammenhang zwischen Corona-Politik von Regierungen und Compliance von Bevölkerungen einwirkt.

Positive Verstärkung von Compliance:
  • Föderalismus
Negative Verstärkung von Compliance:
  • Zentralismus
  • Liberalismus
  • Korruption
Mehrere Faktoren können je nach ihrer Ausprägung Compliance sowohl positiv als auch negativ verstärken:
  • realisierte Demokratie  
  • menschliche Entwicklung
  • Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit 
  • Realisierung von Menschenrechten
  • kulturelle Traditionen 
Die Benennung der Compliance-Thematik und mögliche Erklärungsansätze zur Compliance machen lediglich auf soziologische Zusammenhänge aufmerksam. Im beschränkten Rahmen dieses Posts lässt sich eine Ausarbeitung mit Auswertungen und Vergleichen von Sozialindikatoren (siehe 6.2.3) und weiteren Aspekte von Compliance der Bevölkerung gegenüber politischen Systemen und ihren Strategien der Pandemiebekämpfung nicht leisten. 


2.2.3 Sozialindikatoren
Die Datenbasis zur Compliance gegenüber Pandemie-Strategien ist mager. Sozialindikatoren verweisen auf Zusammenhänge zwischen politischen Systemen, Strategien der Pandemiebekämpfung, Compliance der Bevölkerung. Aussagen über Relevanz und Stärke vermuteter Zusammenhänge sind mit Methoden empirischer Sozialforschung prüfbar. Indizes und Metriken sind selbstverständlich strittig.


2.2.3.1 Freedom House Index 
Freedom in the World 2018 (CC BY-SA 4.0)
Freedom in the World Graph 1973-2014 (CC BY-SA 3.0)
Anteile freier, teilweise freier und nicht freier Staaten

Freedom House ist eine internationale Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Washington, D.C., und dem Ziel der Förderung freiheitlicher Demokratien. Ihr seit 1973 jährlich veröffentlichter Index Freedom in the World bewertet  aktuell 210 Länder (Übersicht nach Regionen). Der Index setzt sich aus Bewertungen des realisierten Grads an Demokratie (politische Rechte) und an zivilen Freiheitsrechten zusammen und ordnet Indexwerte in 3 Kategorien ein, die im zeitlichen Längsschnitt Tendenzen aufzeigen. Politische Rechte gehen mit 0-40 Punkten und Freiheitsrechte mit 0-60 Punkten in einen Gesamtscore von max. 100 Punkten ein, der ein Ranking der Länder bildet. Die Freedom-in-the-World-Länderliste 2019 fasst Verhältnisse des Jahres 2018 zusammen:
  • 1,0 bis 2,5 = frei (unteres Segment der linken Grafik: 86 Länder, 39 % der Weltbevölkerung)
  • 3,0 bis 5,0 = teilweise frei (mittleres Segment der linken Grafik: 59 Länder, 24 % der Weltbevölkerung)
  • 5,5 bis 7,0 = unfrei (oberes Segment der linken Grafik: 50 Länder, 37 % der Weltbevölkerung)
Der Freedom in the World Index gilt als Kriterium zur Bewertung von Menschenrechtssituationen in Staaten der Welt. Zusätzlich bewertet Freedom House Pressefreiheit in 198 Ländern (Freedom of the Press) und Freiheit des Internets in 65 Ländern (Freedom on the Net).


2.2.3.2 Demokratieindex
Demokratieindex 2019 (CC BY-SA 4.0)
Die Zeitschrift The Economist veröffentlicht jährlich ein berechnetes Ranking des Demokratieindex. Ähnlich wie der BTI, aber mit anderem Fokus (vgl. Kap. 2.2.1 - 2.2.3 in Teil 1 des Posts), bildet der aus 5 Faktoren zusammengesetzte Kennwert ein Ranking des Grads realisierter Demokratie von Ländern und ordnet Kennwerte in 4 Regierungskategorien ein:
  • vollständige Demokratien (22 Länder, 5,7 % der Weltbevölkerung),
  • unvollständige Demokratien (54 Länder, 42,7 % der Weltbevölkerung),
  • Hybridregime (Mischformen aus Autokratie und Demokratie) - (37 Länder, 16,0 % der Weltbevölkerung),
  • autoritäre Regime (54 Länder, 35,5 % der Weltbevölkerung).
  •  
2.2.3.3 Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index, HDI)
Human Development Index 2018 (CC BY-SA 4.0)
Der Index der menschlichen Entwicklung wird jährlich von den Vereinten Nationen als Wohlstandsindikator für Staaten veröffentlicht. Der HDI berücksichtigt neben dem Bruttonationaleinkommen pro Kopf die Lebenserwartung und den Grad der Alphabetisierung und bildet über diese Faktoren eine Kennzahl, die in eine von vier Entwicklungskategorien eingeordnet wird:
  • HDI ≥ 0,800: 62 Länder mit sehr hoher menschlicher Entwicklung
  • HDI ≥ 0,700: 53 Länder mit hoher menschlicher Entwicklung
  • HDI ≥ 0,550: 36 Länder mit mittlerer menschlicher Entwicklung
  • HDI < 0,549: 36 Länder mit geringer menschlicher Entwicklung

2.2.3.4 World Happiness Report
World Happiness Report 2017 (gemeinfrei)
Der World Happiness Report wird jährlich vom Sustainable Development Solutions Network der Vereinten Nationen veröffentlicht. Der Report bildet über 7 Kriterien einen Gesamtscore pro Land, der als Indikator den Grad des durchschnittlichen individuellen Wohlbefindens und der Lebenszufriedenheit abbildet.(8) 




2.2.3.5 Korruptionswahrnehmungsindex (CPI)
Korruptionswahrnehmungsindex 2018 (CC BY-SA 4.0)
Der Korruptionswahrnehmungsindex wird jährlich von Transparency International als zusammengesetzter Kennwert der Wahrnehmung von Korruption bei Amtsträgern und Politikern erhoben und als Ranking veröffentlicht (CPI-Flyer 2018).
Tendenziell korrespondiert zunehmende Korruption von Staaten mit abnehmender Meinungs- und Pressefreiheit sowie mit abnehmender Transparenz von Informationen über öffentliche Ausgaben, Integritäts-Verpflichtungen staatlicher Bediensteter, Unabhängigkeit von Justizsystemen.



3 Strategiekonzepte der Pandemiebekämpfung im Kontext von Gesellschaftssystemen
(Optionen der Pandemie-Strategie sind in Kapitel 4.5 des Posts Corona-shutdown Q1/2020, Teil 1: Total normal in der besten aller Welten aufgeführt.)
Matt Bell, Elena Baillie, Genevieve Gee, Tomas Pueyo: Der Hammer und der Tanz

3.1 Corona-Strategie: Nichtstun, Leugnen, kontrollierte und unkontrollierte Herdenimmunität
Die Strategie kontrollierter und unkontrollierte Herdenimmunität bevorzugen in der Frühphase der Pandemie-Ausbreitung Regierungen 2 gegensätzlicher Gesellschaftsordnungen: Autokratien und Demokratien mit liberalistischer Wirtschaftsordnung (letztere in unterschiedlichen Ausprägungen).


3.1.1 Nichtstun und Leugnen (unkontrollierte Herdenimmunität) - Strategie von Autokratien
China, Russland, die meisten Entwicklungsländer und zahlreiche Schwellenländer in Osteuropa, Afrika, Asien und Südamerika sind als Autokratien einzuordnen. Von ca. 7,5 Milliarden Menschen der Weltbevölkerung leben 2018 ca. 3,3 Milliarden Menschen in Autokratien. Entwicklungstendenzen zugunsten von Autokratien sind steigend.

Informationen über die Ausbreitung der Pandemie sind politisch unerwünscht und werden in der Regel unterdrückt.(9) Als typische Reaktion werden Infektionen und Todesfälle geleugnet oder verharmlost. Prinzipiell gilt: je autoritärer das Regime, desto weniger Coronavirus-Infektionen scheint es zu geben. Diese Aussage bezieht sich nicht auf die Realität, sondern auf gemeldete Zahlen. Die tatsächlichen Daten kennt niemand, vermutlich kennen auch autokratische Länder nicht die Daten. Transparenz ist nicht gewollt und wäre wahrscheinlich aufgrund von Infrastruktur-Anforderungen nur in wenigen Ländern herstellbar.


3.1.1.1 COVID-19 Pandemie in der Volksrepublik China
Das Land war aufgrund der SARS-Pandemie 2002/2003 gewarnt. Die politische Führung weigerte sich jedoch zunächst, diese Lektion zu lernen und unterdrückte alle Informationen zur SARS-CoV-2 so lange, bis Informationen in der Welt kursierten und sich nicht länger verleugnen ließen.(10) Ab da legte China den Schalter um und bekämpfte die Ausbreitung brutal-konsequent und offensichtlich bisher erfolgreich. Offiziell bekanntgegebene Fallzahlen sind jedoch nicht vertrauenswürdig und dürften tatsächlich um ein Vielfaches höher liegen.(11) Aktuell gefällt sich China in der Rolle als Helfer und Lehrmeister der Welt, was den britischen Historiker Niall Ferguson zu einem bissigen Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung motivierte: Sechs unangenehme (aber unabdingbare) Fragen an Xi Jinping, den Generalsekretär des Einparteistaats China


3.1.1.2 COVID-19 Pandemie in Nordkorea
Trotz einer mehr als 1.400 km langen Grenze mit China und Kooperationen der beiden Länder behauptet das Regime von Nordkorea bis heute, nicht einen Corona-Fall im Land zu haben.(12) In Nordkorea verhängte Maßnahmen und Augenzeugenberichte machen diese Aussagen absolut unglaubwürdig. Nordkorea ist durch internationale Sanktion stark geschwächt. Die Versorgungslage ist defizitär, arme Bevölkerungsteile leiden Hunger und das Gesundheitssystem ist unzureichend. Ob oder wie lange das Regime seine Politik aufrechterhalten kann, hängt von der weiteren Entwicklung ab.


3.1.1.3 Afrika
Lt. Freedom-in-the-World-Länderliste 2019 gelten von 54 afrikanischen Staaten gerade 10 als frei. Unter nicht freien Ländern Afrikas werden Zentralafrikanische Republik, Libyen, Somalia, Südsudan als die „Übelsten der Üblen“ (worst of the worst) eingestuft. Im Wohlstandsindex befinden sich afrikanische Länder überwiegend im unteren Quartil der geringen menschlichen Entwicklung. Traditionell belegen afrikanische Länder im Korruptionswahrnehmungsindex hintere Ränge. Die „Übelsten der Üblen“ sind im Jahr 2018 auf Rängen von 149 bis 180 (von 180) zu finden (CPI-Flyer 2018). Dass afrikanische Länder im Index der Lebenszufriedenheit im unteren Tertial liegen, verwundert nicht. Auch hier sind die „Übelsten der Üblen“ auf den letzten Plätzen.  

Die Corona-Pandemie breitet sich in Afrika relativ spät aus. Statista meldet am 14.04.2020 lediglich 11.637 Infizierte und 523 Todesfälle. NCOV.2019.live meldet am 16.04.2020 morgens 17.057 Infizierte und 894 Todesfälle. Vermutlich finden in den meisten Ländern Erhebungen und Meldungen nicht systematisch und korrekt stattfinden. Das scheint aber nicht der ausschlaggebende Grund dafür zu sein, dass sich COVID-19 in Afrika langsamer ausbreitetet als auf anderen Kontinenten. Forschungen im Umfeld von Svante Pääbo, Nobelpreisträger für Medizin 2022, konnten nachweisen, dass eine bestimmte Genvariante, die von Neandertalern stammt und durch Gentransfer zwischen Neandertalern und Homo sapiens dem Genpool von Hono sapiens hinzugefügt wurde, das Risiko für einen schweren COVID-19 Verlauf ungefähr verdreifacht.(13,14) Während das Erbgut von Afrikanern weniger als 1 % von Neandertalern stammt, liegt der Anteil von Menschen außerhalb Afrikas bei ca. 2 %.(13)

Als sicher kann gelten, dass Infrastruktur und Leistungsfähigkeit von Gesundheitssystemen sowie Ernährungs- und Hygienesituationen überwiegend unzureichend sind. Länder der Subsahara-Zone sind aufgrund von Ebola hinsichtlich der Eindämmung von Pandemien erfahren. In fast allen Ländern ist ein kompletter Lockdown verfügt. Mehrere Länder haben den Notstand ausgerufen, mit dem Autokraten ihre Macht ausdehnen. Medien berichten über Einschüchterungen, Demütigungen, brutale Tyrannisierung der Bevölkerung durch Militär und Polizei. Freie Presse wird gezielt behindert und unterdrückt.(14)

Ein Artikel von The Lancet Global Health zeigt auf, wie die Gesundheitskrise daran erinnert, dass territorialer Kolonialimus zwar zu Ende gegangen ist, aber längst noch nicht Rassismus und koloniale Mentalität. Etablierte Vorstellungen globaler Gesundheitsexpertise konzentrieren sich auf ehemalige Kolonialmächte und historisch reiche Staaten. Weltweite Empörung lösten 2 französische Ärzte aus, die in einer Live-Fensehdiskussion vorschlugen, COVID-19-Studien zuerst in Afrika durchzuführen, weil es dort keine Behandlung gäbe.(15)


3.1.1.4 Was motiviert Autokratien zu ihrer Strategie in der Corona-Pandemie?
Motivationslagen der Corona-Politik können von Land zu Land variieren. Generell dürften mehrere Motive der nachfolgenden Aufstellung beteiligt sein:
  • Politisches Legitimationsproblem autokratischer Regierungen
    Regierungen harter Autokratien agieren als Diktatur ohne Mandat der Bevölkerung. In gemäßigten Autokratien sind ggf. pseudo-demokratische Legitimationsverfahren und Parlamente ohne Machtbefugnisse installiert. Demokratische Verfassungen können durchaus bestehen (wie in Russland), entscheidend ist jedoch die tatsächlich gelebte Verfassungswirklichkeit und Rechtsstaatlichkeit, die in keinem autokratisch regiertem Land Ansprüchen an eine demokratische Ordnung genügt. Aufgrund fehlender Legitimationsverfahren nehmen Regierungen eines autokratisch regierten Landes die Bevölkerung des Landes als eine permanente Gefahr des Machtverlustes wahr, die Präventivmaßnahmen erfordern. Dazu zählen im laufenden politischen Betrieb Kontroll- und Unterdrückungsmechanismen und Korruptionsnetzwerke.

    Krisensituationen, wie sie durch die Corona-Pandemie entstehen, lassen sich mit etablierten Mechanismen von Präventivmaßnahmen nicht einhegen. Da Krisen Autoritätsverlust bewirken und in der Bevölkerung Unruhe bis zum Aufruhr gegen Machtstrukturen erzeugen können, hat Politik die Wahl zwischen 2 Optionen:
    • Unterdrückung von für ein Regime gefährliche Informationen,
    • politisches Kampagnenmanagement, mit dem sich eine Regierung zum Kriegshelden, Sieger über die Gefahr und globalen Wohltäter erklärt. Über diese Potenz verfügt jedoch nur China. 
  • Wirtschaftliche Schwäche
    China ist eine wirtschaftliche Großmacht, aber die konstant hohe Wachstumsrate sinkt. Chinas Wirtschaft schwächelt. Das anfängliche Unterdrücken von Informationen zur Ausbreitung der Corona-Pandemie sollte möglicherweise Chinas Wirtschaft vor zunehmender Wachstumsschwäche schützen. Jenseits von China verfügen autokratisch regierte Entwicklungs- und Schwellenländer über keine Reserven, die über wirtschaftliche Durststrecken helfen. Unbeherrschbare Krisensituationen schwächen nicht nur Volkswirtschaften, sondern sie erzeugen auch Gefahrenpotentiale für politische Regimes. 
  • Fehlende Bündnispartner
    Insbesondere autokratisch regierten Entwicklungsländern fehlen starke Bündnispartnerschaften, die in Krisensituationen Hilfe organisieren.
  • Mangelnde Fitness öffentlicher Gesundheitssysteme
    Privilegierte Personenkreise autokratischer Regimes verfügen über ausreichende Geldmittel, um sich bei gesundheitlichen Problemen privat im Ausland behandeln zu lassen. Die Bevölkerung ist dagegen i.d.R. bereits in Normalzeiten gesundheitlich unterversorgt. In Krisenzeiten bricht die Versorgung zusammen. 
  • Unterdrückung kritischer öffentlicher Diskurse
    Hauptübel autokratischer Systeme sind Zensur und Unterdrückung freier Meinungsäußerung, wissenschaftlicher Freiheit und eines kritischen Journalismus. Autokratien erkennen zurecht kritische öffentliche Diskurse als Gefahr für den Machterhalt eines Regimes. Gleichschaltung von Verhalten und Denken und Bestrafung von Abweichungen stabilisieren autokratische Regimes und verhindern zugleich kreative Fortschritte im Interesse der Allgemeinheit.

3.2 Nichtstun ohne Leugnen (kontrollierte Herdenimmunität) - Strategie liberalistischer Wirtschaftsordnungen
Eine explizite Ausrichtung an liberalistisch-marktwirtschaftlichen Prinzipien ist insbesondere im anglo-amerikanischen Kulturraum verbreitet: Großbritannien, USA, Kanada, Australien, Neuseeland. Gesellschaftssysteme mit liberalistischer Wirtschaftsordnung wollen die Ökonomie ihres Landes schonen und begründen relatives Nichtstun als strategisches Konzept, das Herdenimmunität quasi automatisch mit mehr oder weniger kontrolliertem Nichtstun erzielt.

Zu Beginn der Corona-Pandemie entscheiden sich die Regierungen der USA und von Großbritannien für das Modell kontrollierter Herdenimmunität. Gemäß liberalistischem Paradigma soll die Wirtschaft der Länder möglichst wenig durch politische Eingriffe behindert werden. Einschränkungen öffentlicher und privater Aktivitäten sollen je nach Bedarf auf Basis von Freiwilligkeit und Selbstkontrolle bei gleichzeitiger Grenzschließung und Beschränkung des Reiseverkehrs stattfinden. Bei starken Symptomen sind Testaktivitäten vorgesehen und bei nachgewiesenen Infektionen sind Isolierungen von Menschen durchzuführen. Infektionsketten der Ausbreitung werden nicht konsequent nachverfolgt. Die leichtgewichtige Strategie rechtfertigen Donald Trump und Boris Johnson, indem sie die Pandemie verharmlosen und als Variante der alljährlichen Grippewelle einordnen, die bald wieder vorbei sei. Suppressionsstrategie betrachten sie als Hysterie und Medien-Hype.

Am 13.03.2020 erklärt Boris Johnson in einer Pressekonferenz, es werde zunächst keine umfassenderen Quarantänemaßnahmen und keine Einschränkungen für Großveranstaltungen geben. Die Bevölkerung müsse sich darauf einstellen, „dass noch viel mehr Familien geliebte Angehörige vorzeitig verlieren werden“. Man verfolge gemäß Konzept der Herdenimmunität die Strategie, die Epidemie so zu steuern, dass die Bevölkerung durch die Krankheit geschleust werde, um Immunität aufzubauen, ohne dass das Gesundheitssystem zusammenbreche.(16) 


3.2.1 America first - COVID-19-Pandemie in den Vereinigten Staaten
Zu Beginn der Pandemie hat vor allem die Seuchenschutzbehörde des Gesundheitssystems der USA versagt. Während das Virus sich ungehemmt ausbreitete, schaffte es die Seuchenschutzbehörde über einen ganzen Monat nicht, ein Testverfahren zu etablieren. Als private Einrichtungen hinzugezogen wurden, war der Pandemie-Zug bereits abgefahren. Ungeachten dessen war für Präsident Trump die Pandemie kein ernster Thema. Laut New York Times haben mehrere US-Behörden im Januar 2020 Krisenszenarien entworfen und Präsident Trump informiert.(17) Doch in der besten aller möglichen Welten, also den USA, phantasiert ein allwissender Präsident Trump von Januar bis März 2020 Wunderliches:(18)
  • „Wir haben es vollkommen unter Kontrolle. Es geht um eine Person, die aus China gekommen ist. Wir haben es unter Kontrolle. Alles wird gut sein.“ (22. Januar)
  • „Wir haben das, was aus China kommt, so ziemlich ausgeschaltet.“ (2. Februar)
  • „Es sieht so aus, als müsste es im April vorbei sein. Wenn es wärmer wird, verschwindet es auf wundersame Weise.“ (10. Februar)
  • „Wir stehen kurz davor, einen Impfstoff zu haben.“ (25. Februar)
  • „Wenn man 15 Fälle hat – 15 Fälle, da sind wir in wenigen Tagen runter auf fast null. Da haben wir ziemlich gute Arbeit geleistet.“ (26. Februar)
  • „Es ist eine Grippe, wie eine Grippe.“ (26. Februar)
  • „Ich kapiere dieses Zeug sehr gut. Die Leute staunen, dass ich es verstehe. Jeder dieser Ärzte fragt: ,Warum wissen Sie so viel darüber?' Vielleicht bin ich ein Naturtalent. Vielleicht hätte ich das machen sollen, anstatt für die Präsidentschaft anzutreten.“ (6. März)
  • „Wir sind gut vorbereitet und wir machen großartige Arbeit. Es wird einfach weggehen. Bleibt ruhig, es wird einfach weggehen.“ (11. März)
  • „Weil wir sehr früh reagiert haben, sehen wir deutlich weniger Virus-Fälle in Amerika als in Europa.“ (11. März)
Am 3. März sind von 320 Millionen Einwohnern der USA 118 als Corona-Infizierte registriert. Großbritannien meldet 21 Todesfälle am 15. März 2020. Publiziert werden bis dahin nur Todesfälle in Krankenhäusern. Der Hauptanteil ist jedoch in Alten- und Pflegeheimen verstorben. Diese Zahlen werden ignoriert. In der Realität verschonte die Infektionswelle die beiden Länder keineswegs, aber nur minimal vorgenommene Infektionstests täuschen eine niedrige Infektionsrate vor. Bis zu Trumps politischem Schwenk am 13. März 2020 erklärt Fox News die nationale und internationale Corona-Berichterstattung als Kampagne gegen Präsident Trump. Während im westlichen Kontinentaleuropa längst Maßnahmen der Suppressionsstrategie wirksam sind, finden in Großbritannien noch Ligaspiele im Fußball statt und der Bath-Halbmarathon wird mit 6.200 Teilnehmern ausgetragen.


3.2.2 Politischer Schwenk in USA und UK
Mitte März 2020 müssen auch Trump und Johnson eingestehen, was bereits alle Welt weiß. Trump erklärt:(18)
  • „Das ist ein hochansteckendes Virus. Es ist unglaublich. Aber wir üben eine gewaltige Kontrolle darüber aus.“ (15. März)
  • „Ich hatte das Gefühl, dass dies eine Pandemie sein würde, lange bevor es offiziell so genannt wurde.“ (17. März)
  • „Ich sehe mich jetzt als Kriegspräsident.“ (17. März)
  • „Wir werden jetzt zwei sehr schwere Wochen durchleben. Das werden sehr schmerzvolle, sehr, sehr schmerzvolle zwei Wochen.“ (31. März)
Um die Wirtschaft zu schützen benötigen Trump und Johnson ein Mandat der Bevölkerung, das sie gerade verzocken. Der politische Kurs beider Länder erweist sich als gescheitert. Regierungen der USA und Großbritanniens geben ihre Strategie auf und schwenken Mitte März in das Lager der Suppressionsstrategie um. Trump hat bereits den Schuldigen ausgemacht, die "China-zentrische (...) WHO hat es vergeigt".(19) Total normal? Am 14.04.2020 verfügt Trump einen Stop von Beitragszahlungen der USA an die WHO.(20) Australien, Japan und Indien sympathisieren mit Trumps Kritik an der WHO.

Trump ist von seiner präsidialen "Allmacht" überzeugt, Anweisungen zum 'Social Distancing' lehnt er jedoch ab und überlässt Gouverneuren der Staaten die Entscheidung. Während Florida erst am 3. April 2020 eine "Stay at home"-Order erlässt, weigern sich bis zum 7. April 2020 noch 9 Staaten, die Order zu erlassen.(21,22) Industrie und Landwirtschaft nutzen die Gunst der Stunde. Sie fordern wegen der durch die Corona-Krise verursachten Belastungen eine Lockerung der ohnehin nicht ambitionierten Umweltauflagen in den USA und setzen ihre Forderung durch.

Am Morgen des 7.04.2020 sind in den USA 368.196 Infektionen sowie 10.986 Tote bestätigt und Fallzahlen steigen weiter. Innerhalb von 7 Tagen steigen die Zahlen auf mehr als 610.000 Infektionen und mehr als 26.000 Verstorbene. Ein hoher Anteil der Betroffenen lebt in prekären Lebenssituationen, die sich als tödliche Gefahr erweisen. Farbige Minderheiten der Unterschicht sind unter Infizierten und Verstorbenen weit überrepräsentiert. Viele unter ihnen verfügen über keinerlei sozialer Absicherung.(23) Leistungsfähigkeit und Ressourcen des Gesundheitssystems sind in den USA und in UK über ihre Grenzen hinaus ausgelastet. Bis zum 16.04.2020 haben sich innerhalb von 4 Wochen 22 Millionen Menschen der USA arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote schnellt von 3,5 % auf geschätzte ca. 20 % (genaue Daten liegen noch nicht vor). "Die Wirtschaft befindet sich fast im freien Fall", meldet die FAZ am 15.04.2020. Trotz des weiteren Anstiegs von Fallzahlen kündigt Trump am 16.04.2020 ein Wiederhochfahren der Wirtschaft an.(24)

Auf dem Kontinent ruht bereits das öffentliche Leben, als Großbritannien eine Ausgangssperre verhängt. Das unterfinanzierte und unterbesetzte staatliche Gesundheitssystem NHS ist auf die Krise nicht vorbereitet. Vorgehensrichtlinien der WHO bleiben unbefolgt. Ausrüstung, Intensivbetten und Beatmungsplätze fehlen in drastischen Größenordnungen. Während Deutschland mit 29 Intensivstationsbetten pro 100.000 Einwohner in Europa am besten ausgestattet ist, kommen in UK 6,6 Betten auf 100.000 Einwohner. Verlorene Zeit und schlechte Ausstattung spiegeln sich in Fallzahlen. Am 15.04.2020 sind fast 13.000 Todesfälle bekannt, mit denen UK im globalen Länder-Ranking Platz 5 belegt. Die hohe Anzahl Todesfälle verweist auf eine hohe Dunkelziffer und diese auf große Defizite von Testverfahren.

Ein über mehr als 100 Staaten entwickeltes Ranking der Londoner Deep Knowledge Group (DKV) bewertet am 12.04.2020 den länderspezifischen medizinischen und nichtmedizinischen Risikograd der Pandemie in USA und UK auf den Plätzen 2 und 3 (hinter Italien) eines globalen COVID-19 Risiko Rankings. Im Ranking des Krisenmanagements liegt USA im hinteren Mittelfeld auf Platz 70.(25)


3.2.3 Welche Compliance zeigen Bevölkerungen der USA und Großbritanniens?
Offenkundige Fakten lassen sich nicht mit Lügen und Fake News wegtwittern. Ihren Kurswechsel rechtfertigen Donald Trump und Boris Johnson mit Kriegsrhetorik und dekorieren politisches Krisenmanagement mit Kriegsmetaphorik. Dabei übersehen sie, dass Menschen in den USA und in UK ohne Rüstung in den Krieg ziehen (um im Bild zu bleiben). Folgerichtig kaufen Menschen der USA verstärkt Waffen, melden Medien. Menschen befürchten soziale Unruhen.(26)

Bei der Ausbreitung der Pandemie erkennen Menschen der USA und in UK schnell, dass persönliche Wohlfahrt ohne Hilfe des Staates stark bedroht ist und verlangen nach staatlichen Maßnahmen. Im Markt regiert Wettbewerb. Die Bekämpfung einer Pandemie verlangt Ausschaltung des Marktes und Kooperation im Interesse des Gemeinwohls. Allein das politische System besitzt die Autorität zur Durchsetzung wirkungsvoller Maßnahmen.

Obwohl Fallzahlen rasant zunehmen, nimmt sich die Bevölkerung in Anbetracht wankelmütiger und nicht konsequenter Regierungspolitik hinsichtlich Empfehlungen zur sozialen Distanzierung nicht in notwendiger Geschlossenheit in die Pflicht. Studenten lassen sich ihre Partys nicht verbieten und feiern einfach weiter, meldet die Wochenzeitung Zeit.(27) Für viele Farbige ist Social Distancing ohnehin nicht praktizierbar. Sie wohnen in beengten Wohnverhältnissen und arbeiten häufig in Dienstleistungsjobs, die nicht im Home Office erledigt werden können und für die sie in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln aus Vororten in die Innenstädte fahren müssen. Die Bevölkerung reagiert mit Protesten.(28)

Ähnlich harte Klassenunterschiede wie in den USA bestehen auch in Großbritannien. Als am 16.03.2020 in Großbritannien die Schulen nicht geschlossen wurden, unterzeichneten mehr als 600.000 Menschen eine Online-Petition für die Schließung. Am 18.03.2020 kündigte Boris Johnson die Schließung der Schulen für zunächst eine Woche bis zum 21.03.2020 an. Bis zum 27.03.2020 melden sich mehr als 500.000 Freiwillige als Helfer für den staatlichen Gesundheitsdienst. Wie sie sich ohne Ausrüstung schützen können, wird ihnen Boris Johnson kaum sagen können. Eine Infektion mit dem Cornoavirus, bei der eine intensivmedizinische Behandlung sein Leben rettete, bekehrte Boris Johnson vom Saulus zum Paulus.


3.3 Corona-Strategie: Flatten the Curve (Dehnung) 
Zahlreiche Länder verfolgen das Ziel, nicht nur die Wirtschaft zu schonen, sondern auch Menschen zu schützen mittels der Strategie Flatten the Curve (siehe 4.5.2 in Teil 1 des Posts), eine erweiterte Variante der Herdenimmunitäts-Strategie. Öffentliches Leben soll so weit eingeschränkt werden, dass Kapazitäten des Gesundheitssystems nicht überlastet und gleichzeitig das Wirtschaftssystem nicht gestresst wird. In der politischen Realität lassen sich 2 Konzepte dieser Strategie identifizieren, um die sich jeweils politische Lager scharen:
  1. In Kanada, Australien, Japan, Niederlande (und weiteren Ländern) orientiert sich Politik rechtsliberaler Regierungen am Paradigma eines freien Markt einer moderaten individualistisch-liberalistischen Wirtschaftsordnung, die nicht auf Staatsraison besteht.
  2. Skandinavische Länder orientieren sich am sozialdemokratischen Modell des Schwedischen Wohlfahrtsstaats, der einen dritten Weg zwischen Marktwirtschaft und Sozialismus einschlägt, auf dem Rechte bürgerlicher Freiheiten und Menschenrechte gestärkt werden. Im Ranking der Freedom-in-the-World-Länderliste 2019 erreichen nur die Länder Finnland, Norwegen und Schweden die volle Punktzahl von 100 Punkten.
  3. Gouvernementalität von Ländern wie Italien, Frankreich, Spanien etc. (teilweise auch Deutschland) fasst Politik als säkularisierte Pastoralmacht auf. Sie greift ordnend in das Marktgeschehen ein und erklärt die Verbindung von Bevölkerungsinteresse und Staatsraison zum Prinzip des Regierens. Das Modell zentralistischer Regierungskonzepte konzentriert in absolutistischer Tradition Machtkompetenzen in mehr oder weniger zentralen Organen der Verwaltung. Dieses Modell ist insbesondere in ehemals traditionellen Monarchien anzutreffen, von denen einige als konstitutionelle oder als parlamentarische Monarchie bis zur Gegenwart bestehen.

3.3.1 Flatten the Curve in Ländern mit moderater individualistisch-liberalistischer Wirtschaftsordnungen
Ein gemäßigter strategischer Kurs der Herdenimmunität vermeidet auf der Basis von Freiwilligkeit und Selbstkontrolle soweit wie möglich Eingriffe in öffentliche und private Aktivitäten; er sieht aber von Beginn an stärkere Testaktivitäten, Isolierung und Nachverfolgung von Infektionen sowie selektive Sperrmaßnahmen vor.

In beteiligten Ländern bewirken moderate Restriktionen, dass Teile der Bevölkerung die Gefahr nicht ernst nehmen und Aufforderungen zur freiwilligen Beschränkung und Selbstkontrolle eine unbefriedigende Compliance zeigen. Während im westlichen Kontinentaleuropa alle Publikumsveranstaltungen abgesagt und Ausgangssperren verhängt sind, gehen Fotos um die Welt, die Menschdnansammlungen bei der Kirschblüte in Japan und am Bondi Beach von Sydney zeigen. Mit dem Anstieg von Fallzahlen konvergieren Beschränkungen und Kontrollen dieser Länder in Richtung Suppressionsstrategie.

Ob eine stärker auf Freiwilligkeit und Selbstkontrolle beruhende Strategie die Pandemie im Interesse der Bevölkerung und der Ökonomie erfolgreicher als die Suppressionsstrategie bekämpft, wird erst die weitere Entwicklung zeigen.


3.3.1.1 COVID-19-Pandemie in Kanada
Maßnahmen innerhalb des Landes steuert Kanada regional und fordert die Bevölkerung zu freiwilligen Beschränkungen auf. Im globalen COVID-19 Safety Ranking der Londoner Deep Knowledge Group (DKV) gilt Kanada als relativ sicher und belegt mit Platz 13 einen oberen Rang.


3.3.1.2 COVID-19-Pandemie in Australien
Trotz enger wirtschaftlicher Verflechtungen mit China weist Australien bisher relativ geringe Fallzahlen aus. Zu Beginn der Pandemie wurden zögerliches und widersprüchliches Handeln der rechtskonservativen Regierung stark kritisiert. Die Regierung antwortete auf die Kritik am 13.03.2020 mit Bildung eines Krisenkabinetts und richtete am 25.03.2020 die National COVID-19 Coordination Commission (NCCC) ein, die australienweit strategische Maßnahmen gegen die Pandemie koordiniert und für die Ausweitung von Tests sorgte. Mittlerweile sind Versammlungsverbote und Regeln zur sozialen Distanz vergleichbar mit Deutschland in kraft. Im globalen COVID-19 Safety Ranking der Londoner Deep Knowledge Group (DKV) gilt Australien als relativ sicher und belegt mit Platz 4 einen vorderen Rang.


3.3.1.3 COVID-19-Pandemie in Japan
Die Pandemie weist in Japan relativ niedrige Fallzahlen aus. Die Glaubwürdigkeit der gemeldeten Fallzahlen wird angezweifelt und darauf zurückgeführt, dass nur wenige Tests durchgeführt werden. Spekulationen nehmen an, dass Japans rechtsliberale Regierung Fallzahlen frisieren lässt, um als Ausrichter der nächsten Olympiade nicht in Frage gestellt zu werden. Bis weit in den Monat März 2020 zögern das Internationale Olympische Komitee und Vertreter Japans als Ausrichter mit der Absage der olympischen Sommerspiele in Tokio. Am 24. März bittet die japanische Regierung das IOC um Verschiebung der Spiele. Das IOC stimmt zu.

Am 7.04.2020 verhängt Japan in mehreren Regionen den Ausnahmezustand und weitet ihn am 16.04.2020 auf das ganze Land aus, ohne diesen jedoch mit Ausgangsbeschränkungen zu verbinden. Trotz eher moderater Beschränkungen zählt Japan im globalen COVID-19 Safety Ranking sowie im Maßnahmen-Effizienz-Ranking der Londoner Deep Knowledge Group jeweils mit Platz 9 zu den Top-10 Ländern.


3.3.1.4 COVID-19-Pandemie in den Niederlanden
Die rechtsliberale Regierung der Niederlande verfolgt explizit ein Konzept der Herden- oder Gruppenimmunität. Die Strategie ist aufgrund der hohen Letalitätsrate umstritten. Am 6.04.2020 lag die Anzahl der Todesfälle absolut um 18 % höher als in Deutschland, obwohl die Einwohnerzahl der Niederlande nur ca. 21 % der Einwohner Deutschlands beträgt. Bis zum 16.04.2020 hat sich der Trend zugunsten der Niederlande geändert. 3.327 Todesfälle der Niederlande entsprechen 82 % von 4.052 Todesfällen in Deutschland. Aber 182,9 Todesfälle pro 1 Millionen Einwohner der Niederlande sind noch immer ein Mehrfaches von 42,6 Todesfällen pro 1 Millionen Einwohner in Deutschland (Zahlen aus Our World in Data, 16.04.2020). Nachdem die Bevölkerung eher großzügig mit Verhaltensempfehlungen umgegangen ist, hat die Regierung Maßnahmen verschärft.(29) Im globalen COVID-19 Safety Ranking der Londoner Deep Knowledge Group (DKV) belegt die Niederlande als Nr. 16 einen vorderen Rang. 


3.3.2 Flatten the Curve - Schwedens Sonderweg kontrollierter Herdenimmunität in der COVID-19-Pandemie
Die aus Sozialdemokraten und Grünen bestehende Regierungskoalition verfolgt im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten einen zurückhaltenden Kurs, der Verbote meidet und für die meisten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auf Vertrauen und Freiwilligkeit setzt. Im Unterschied zu harten Lockdown-Kursen bleiben in Schweden Kindergärten, Grundschulen, Restaurants und Geschäfte geöffnet.(30)

Bislang in Schweden noch überschaubare Infektionszahlen beginnen zu steigen. 119,2 Todesfälle pro 1 Millionen Einwohner sind als hoch einzuordnen (Zahlen aus Our World in Data, 16.04.2020). Die Todesrate liegt am 17.04.2020 lt. Zahlen des JHU-Dashboards bei 10,6 %. Die Londoner Deep Knowledge Group (DKV) führt Schweden im globalen COVID-19 Risk Ranking auf Rang 6 unter den gefährlichsten Ländern auf und ordnet das Land im COVID-19 Safety Ranking der Eurozone als Nr. 24 in 'Low Level' ein. In der Bevölkerung beginnt das Vertrauen in das Krisenmanagement der Behörden zu schwinden.(31) Wissenschaftler fordern ein Eingreifen der Politik. Ob Schweden seinen Sonderweg länger durchhalten kann, wird zunehmend fraglicher.


3.3.3 Flatten the Curve in 'pastoralen' westeuropäischen Ländern
Der Verlauf der Corona-Pandemie trennt Länder diese Kategorie in 2 Gruppen:
  • 'Frühstarter' ergreifen bereits zum Beginn der Pandemie Gegenmaßnahmen und profitieren von ihrer Politik mit überschaubaren Fallzahlen und weniger harten Maßnahmen. In Europa sind Dänemark und Portugal zu nennen, auf die dieses Kapitel eingeht.
  • 'Spätstarter' warten ab und verlieren Zeit, in der sich die Pandemie unkontrolliert ausbreitet. Hohe Fallzahlen erfordern verschärfte Maßnahmen und erzwingen im März 2020 einen Strategiewechsel von Flatten the Curve (Dehnung) zum Lockdown (Eindämmung, bzw. Suppression oder Unterdrückung), der der Bevölkerung und der Wirtschaft des Landes weitgehende Einschränkungen auferlegt. In diese Gruppe sind Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland einzuordnen, die nach den USA die höchsten Fallzahlen ausweisen. (Die Lockdown-Strategie betrachtet das Kapitel 7.4.)

3.3.2.1 COVID-19-Pandemie in Dänemark
  • Am 27.02.2020 wurde der erste Fall bekanntgegeben. 
  • Am 10.03.2020 waren 262 Infektionen und 0 Todesfälle registriert. 
  • Ab dem 11.03.2020 und in den Folgetagen erließ die Regierung umfangreiche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus.
  • Am 17.04.2020 weist das JHU-Dashboard 7.268 Infizierte und und 336 Verstorbene aus. Pro 1 Millionen Einwohner sind 53,35 Todesfälle ausgewiesen (Zahlen aus Our World in Data, 16.04.2020).
  • Anfang April kündigt sich Entspannung der Situation an. Ab dem 15.04.2020 beginnt Dänemark, Kitas, Kindergärten und Schulen nach einmonatiger Schließung wieder zu öffnen.  
  • Im globalen COVID-19 Safety Ranking der Londoner Deep Knowledge Group (DKV) belegt Dänemark als Nr. 15 einen vorderen Rang. 
Dänemarks Krisenmanagement hat offensichtlich einen guten Kurs durch die Strategie  gefunden.


3.3.2.2 COVID-19-Pandemie in Portugal
  • Bis zum 9.03.2020 gab es 31 positive Fälle.
  • Am 12.03.2020 erklärte die portugiesische Regierung die höchste Alarmstufe.
  • Am 18.03.2020 erklärte Präsident de Sousa den Ausnahmezustand für das gesamte portugiesische Territorium. Der Zustand wurde vorerst bis zum 2. Mai verlängert.
  • Am 17.04.2020 weist das JHU-Dashboard 19.022 Infizierte und und 657 Verstorbene aus. Pro 1 Millionen Einwohner sind 58,74 Todesfälle ausgewiesen (Zahlen aus Our World in Data, 16.04.2020). 
  • Im COVID-19 Safety Ranking der Eurozone ordnet die Londoner Deep Knowledge Group (DKV) Portugal jedoch nur als Nr. 25 in 'Low Level' ein.
Portugals Bevölkerung akzeptiert das Krisenmanagement der Regierung, das auch wegen seiner humanitären Entscheidungen zur Behandlung von Flüchtlingen internationale Anerkennung erhält.(32,33,34)


3.4 Corona-Strategie: Temporärer Lockdown (Eindämmung durch Suppression)
Ein Lockdown bewirkt ebenfalls das Abflachen der Infektionskurve (Flatten the Curve), aber nicht als Primärziel. Während die Flatten-the-Curve-Strategie eher mit Empfehlungen operiert und die Wirtschaft des Landes soweit wie möglich schont, erfordert die Eindämmungsstrategie des Lockdown Kontakt- und Ausgangsverbote, Strenge Schutzmaßnahmen, Isolierung von Infektionsherden sowie Einstellung aller nicht lebensnotwendigen und nicht systemkritischen öffentlichen Aktivitäten und damit einen weitgehenden Stillstand der Wirtschaft. Was Lockdown bedeutet, verdeutlicht aktuell das Leben in Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland.

Die Strategie-Entscheidung erlaubt Rückschlüsse auf politische Perspektiven und Zielvorstellungen:
  • Eine Flatten-the-Curve-Strategie schont primär die Wirtschaft eines Landes. Gemäß liberalistischer Perspektive gelten individuelle Versorgung, Erfolg und Wohlstand als private Aufgaben, während der Markt den größten Nutzen für die größte Anzahl Menschen bietet. Darum muss der Staat vor allem den Markt schützen.
  • Ein Lockdown schont die Bevölkerung eines Landes zu Lasten der Wirtschaft. Der Markt gilt gegenüber der Krise als ohnmächtig. Entschlossenes staatliches Handeln muss die Ohnmacht des Marktes kompensieren. Ein bedeutender Faktor für Auswirkungen eines Lockdown ist der Zeitpunkt, zu dem er verordnet wird:
    • 'Frühstarter' entscheiden Maßnahmen des Lockdown zu Beginn der Pandemie. Sie fokussieren auf regionale Ausbreitungsherde, in denen sie Kontrolle über die Ausbreitung erreichen, während das Leben außerhalb dieser Regionen weitgehend normal läuft. 'Frühstarter' profitieren mit überschaubaren Fallzahlen in begrenzten Regionen und überschaubaren Zeiträumen für harte Maßnahmen. Als 'Frühstarter' gelten China (mit Einschränkung in Wuhan), Singapur, Südkorea, Taiwan, Vietnam (35,36,37) Thailand (38). Singapur kämpft jedoch inzwischen gegen die zweite Infektionswelle.(39)
    • 'Spätstarter' warten ab und verlieren Zeit, in der sich die Pandemie unkontrolliert landesweit ausbreitet. Zum Zeitpunkt der Lockdown-Entscheidung beeindrucken bereits hohe Fallzahlen, die schnell wachsen. Aufgrund der fortgeschrittenen Entwicklung sind der gesamten Bevölkerung und der Wirtschaft des Landes weitgehende Einschränkungen auferlegt. In diese Gruppe sind Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland einzuordnen, die nach den USA die höchsten Fallzahlen ausweisen. Deutschland ist das Thema des nachfolgenden Kapitels 8. Über Italien, Frankreich,  Spanien und Probleme der gesundheitlichen Versorgungsqualität in den stark verschuldeten Ländern berichten Medien und Artikel in Wikipedia umfassend.(40)

3.4.1 Strukturelle Kontexte der Lockdown-Strategie in Westeuropa
Kulturen, deren politische Systeme auf liberalistischer Tradition beruhen oder ihr nahe stehen, vermeiden eine Lockdown-Strategie. In westeuropäischen Gesellschaftssystemen  beruht die politische Motivation zur Lockdown-Strategie auf 2 unterschiedlichen Konzepten:
  • Aus Pastoralmächten hervorgehende zentralistische politische Systeme sind als 'Hirten' (Regierung) gegenüber ihrer 'Herde' (Bevölkerung) traditionell zur Fürsorge verpflichtet (Frankreich, Spanien). 
  • Politische Systeme von Staaten, deren Selbstverständnis der Tradition von Wohlfahrtsstaaten verpflichtet ist, beziehen ihre politische Legitimation aus dem Auftrag zur Entwicklung und zum Schutz eines Wohlfahrtsstaates, der dem sozialen, materiellen und kulturellen Wohlergehen seiner Bürger dient (Deutschland und teilweise Italien).
Bemerkenswert sind länderspezifische Bewertungen, mit der die Londoner Deep Knowledge Group (DKV) politisch zu verantwortende Maßnahmen der Strategie-Bekämpfung beurteilt. Im globalen Ranking der Maßnahmen-Effizienz (TOP-10 COVID-19 Treatment Efficiency Ranking) liegt Deutschland auf Rang 1. Im globalen COVID-19 Safety Ranking ist Deutschland hinter Israel auf Rang 2 und im Eurozonen COVID-19 Safety Ranking auf Rang 1 eingeordnet. Während Frankreich, Italien, Spanien im Safety Ranking auf hinteren Rängen liegen, weist sie das globale COVID-19 Risk Ranking auf Spitzenplätzen aus: Italien = 1, Spanien = 4, Frankreich = 5.


3.4.2 Compliance der Bevölkerung
Korrelationen länderspezifischer Compliance der Bevölkerung zu staatlich verordneten Maßnahmen verändern sich mit der Höhe von Fallzahlen und der Dauer von Maßnahmen. Zu Beginn staatlich verordneter Maßnahmen fällt die Compliance der Bevölkerung in Italien, Frankreich, Spanien relativ niedrig aus, wodurch sich das Ausbreitungstempo der Pandemie erhöhte, was Regierungen zu verschärften Ausgangssperren motivierte. In Deutschland ist das Vertrauen der Bevölkerung in Maßnahmen der Regierungspolitik hoch und fallen Ausgangsperren vergleichsweise moderat aus.


3.4.2.1 Deutschland
Die Ausbreitung der Pandemie in Deutschland bzw. den Umgang von Politik, öffentlichen Institutionen und Bevölkerung mit der Corona-Krise ist Thema des Posts: Corona-shutdown Q1/2020, Teil 3: Die Ausbreitung der Pandemie in Deutschland


3.4.2.2 COVID-19-Pandemie in Italien
In einer vom 11. bis zum 13. März durchgeführten Umfrage gaben weniger als 70 % der Befragten an, Abstand zu anderen Menschen zu halten und Ansammlungen zu meiden.
Bei einer Umfrage am 22. März hielten es nur 51 % befragter Italiener für wahrscheinlich, dass sie sich infizieren könnten.

Skepsis und Misstrauen zwischen Regierungen und Bevölkerung prägen die politische Kultur Italiens. Eine schwach ausgeprägte Bereitschaft der Bevölkerung zur Steuerehrlichkeit und die auf staatlicher Seite militärisch organisierte Guardia di Finanza sind Symptome dieser Problematik. In politischer Kultur blühender Populismus ist ein weiteres Symptom. Politischer Populismus hat die Aushöhlung des öffentlichen Gesundheitssystems betrieben, die in Italien maßgeblichen Anteil hat an der Todesrate von 13,2 % der registrierten Infizierten bzw. an 376 Todesfällen pro 1 Millionen Menschen (Our World in Data, 18.04.2020).(41)


3.4.2.3 COVID-19-Pandemie in Frankreich
Mit 286 Todesfällen pro 1 Millionen Menschen (Our World in Data, 18.04.2020) liegt Frankreich hinter Spanien und Italien auf Rang 3 und führt mit 13,5 % der registrierten Infizierten am 19.04.2020 die Todesrate in Europa an. Die hohe Sterblichkeitsrate verweist auf eine hohe Dunkelziffer, die auf starken Defiziten beim Testen beruht.
In Vororten von Großstädten kommt es nachts zu Zusammenstößen zwischen jugendlichen Banden, die Ausgangssperren ignorieren, und der Polizei, die Ausgangssperren durchsetzen soll.


3.4.2.4 COVID-19-Pandemie in Spanien
In Folge der Ausgangssperre wurden mehr als 377.000 Strafanträge mit mehr als 3.200 Festnahmen gestellt.
Am 19.04.2020 beträgt die Todesrate 10,6 % der registrierten Infizierten. Pro 1 Millionen Menschen liegt Spanien mit 417 Todesfälle mit Abstand in Europa an der Spitze (Our World in Data, 18.04.2020).


3.4.2.5 COVID-19-Pandemie in Griechenland
Trotz oder vielleicht auch gerade wegen eines wenig leistungsfähigen Gesundheitssystems gilt Griechenlands Krisenmanagment der Corona-Krise in Europa als vorbildlich.(42,43,44) Dank Anstrengungen eines erfolgreichen Krisenmanagment sind in Griechenland am 26.04.2020 lediglich 2.507 Infektionen und 134 Todesfälle bzw. 10 Todesfällen pro 1 Millionen Einwohnern registriert (JHU COVID-19 Dashboard, Our World in Data, 26.04.2020).(45)


3.4.3 Reibung zwischen Staat und Bevölkerung - Kulturtradition in Italien, Frankreich, Spanien?
Ursachen für das gestörte Verhältnis zwischen Staat und Bevölkerung beruhen vermutlich auf traditioneller politischer Kultur.
  • Italien und Griechenland
    Während ihrer kulturellen Blütezeiten bestanden Griechenland und Italien aus konkurrierenden Stadtstaaten im permanenten gegenseitigen Krieg. Auch nach ihrer Blütezeit waren beide Länder in Herrschaftsgebiete zersplittert. Im 19. Jahrhundert setzten in beiden Ländern Nationalbewegungen ein, die jedoch die Nationen nicht einen konnte. In Griechenland standen sich über mehr als 100 Jahre Republikaner und Monarchisten unversöhnlich gegenüber. In Italien sind sich Nord-, Mittel-, Süditalien, Sardinien, Sizilien auch in der Gegenwart fremd. Rom, Venedig, Mailand und Florenz schweben abgehoben über dem Land.
    Staatliche Institutionen, die in lokale soziale Gefüge eindringen oder diese zu verdrängen versuchen, empfinden weite Teile der Bevölkerung als feindlich Einrichtungen, denen niemand Loyalität schuldet. Die Konsequenz ist staatliche Unregierbarkeit von Ländern wie Italien und Griechenland. In der Corona-Krise stellen ca. 80 % aller Griechen ihrer Regierung gute Noten für das Krisen-Management aus, sodass die Pandemie sogar zur politischen Stabilisierung Griechenlands beiträgt.(46) Selbst in Italien liegt im März 2020 die Zustimmung der Bevölkerung trotz harter Maßnahmen bei 70 %.
  • Frankreich und Spanien 
    Beide Länder blicken auf eine entgegengesetzte politische Kulturtradition zurück und bewahren mit zentralistischen Machtstrukturen absolutistisches Erbe. Eine Mehrheit der Bevölkerung ist gegenüber staatlichen Institutionen der Gegenwart feindlich eingestellt, weil aus Sicht der Bevölkerung die Zentralregierung den Interessen einer Elite auf Kosten der Mehrheit dient. Frankreichs Präsident Macron schwört die Bevölkerung mit Kriegsrhetorik auf harte Maßnahmen ein und erfährt im bürgerlichen Lager Zustimmung. An sozialen Rändern lodern dagegen alte Konflikte auf.
Die traditionelle Konkurrenzsituation zwischen Herrschaftsansprüchen ist vermutlich zumindest mitverantwortlich für verbreitete Korruptions-Kultur in Mittelmeerländern, die Machtmissbrauch und Selbstbereicherung stillschweigend duldet. Korruption lässt sich als Indikator für mangelndes Vertrauen in staatliche Institutionen und für defizitäre Rechtsstaatlichkeit deuten.

Der jährlich von Transparency International als zusammengesetzter Kennwert der Wahrnehmung von Korruption bei Amtsträgern und Politikern erhobene und als Ranking veröffentlichte Korruptionswahrnehmungsindex weist für Frankreich einen Score von 69  aus, für Spanien 60, für Italien 53 und für Griechenland. Korruption ist ein nicht auszurottendes globales Problem. Den Maximal-Score von 100 erreicht kein Land. Traditionell gelten skandinavische Länder mit Scores von 87 bis 84 als die global am wenigsten korrupten Staaten. Deutschland liegt mit einem Score von 80 auf Rang 9 der am wenigsten korrupten Staaten. (CPI-Flyer 2018).


Weitere Posts zum Thema:

Anmerkungen
  1. Freedom House: Democracy during Pandemic
  2. Inzwischen kristallisieren sich als Kriterien für die Aufhebung von Einschränkungen die Verdopplungszeit in Tagen der Infektions-Ausbreitung sowie die Reproduktionsrate "R" heraus. Eine stabil ansteigende Verdopplungsrate gilt als Erfolgsindikator für Bekämpfungsmaßnahmen. Als relevante Schwelle für eine voraussichtlich stufenweise Aufhebung von Maßnahmen werden eine Verdopplungsrate > 10 Tage sowie eine Reproduktionsrate deutlich < 1 diskutiert. Grenzwerte sind bisher nicht definiert. Allerdings bleibt jede Kennzahlen als Grundlage politischer Entscheidungen fragwürdig, solange die Datenbasis unsicher ist. 
    Aktuelle Werte der Verdopplungsrate (zusammengestellt von Lisa Charlotte Rost, verlinkt in Wikipedia COVID-19-Pandemie): Tempo der Ausbreitung von COVID-19
  3. Deutsche Welle: Coronavirus: Die Psychologie hinter den Hamsterkäufen
  4. Tagesspiegel: Umgang mit dem Coronavirus: Angst kann helfen, Panik jedoch schadet
  5. Die vom US-amerikanischen Soziologen Robert K. Merton (1910-2003) eingeführte Erklärung der selbsterfüllenden Prophezeiung geht zurück auf das Thomas-Theorem, welches besagt: „Wenn die Menschen Situationen als real definieren, sind sie in ihren Konsequenzen real.“
  6. Spiegel: Panikkäufe in Istanbul nach Ankündigung von zweitägiger Ausgangssperre
  7. Der Begriff Compliance umschreibt Kooperationsbereitschaft bzw. zustimmende Konformität des Verhaltens mit Vorschriften, Regeln, Anweisungen. 
  8. Der World Happiness Report 2020 dokumentiert das aktuelle Länder-Ranking of Happiness 2017-2019 im Kapitel 2: Social Environments für World Happiness
  9. Spiegel: Wie Autokraten das Virus bekämpfen: Leugnen, löschen, unterdrücken
  10. Wikipedia: COVID-19-Pandemie in der Volksrepublik China
  11. Spiegel: Chinas zweifelhafte Corona-Statistik
  12. Spiegel: Kim kennt kein Corona 
  13. Neandertaler-Erbgut:
  14. Medienberichte zur Corona-Pandemie in Afrika:
  15. The Lancet Global Health: Decolonising COVID-19
  16. Deutschlandfunk: Kampf gegen Coronavirus: Too little, too late?
    Wikipedia: COVID-19-Pandemie im Vereinigten Königreich
  17. NYT: He Could Have Seen What Was Coming: Behind Trump's Failure on the Virus
  18. FAZ: Zehn Wochen Corona in den Worten von Trump
  19. FAZ: "Die WHO hat es vergeigt"
  20. Spiegel: USA stoppen Überweisungen an WHO
  21. FAZ, 7.04.2020: Vorbereitung für den "Pearl Harbor-Moment"
  22. Al Jazeera News: These US states refuse to issue stay-at-home orders
  23. SZ: Rassismus und Corona: Tödliche Ungleichheit
  24. Tagesschau: Lockerung - trotz Anstieg der Infektionen
  25. Spiegel: Krisenmanagement: Im Ländervergleich liegt Deutschland sehr weit vorn
  26. Tagesspiegel: US-Amerikaner decken sich mit Pistolen und Gewehren ein
  27. Zeit: Amerikas junge, sorglose Minderheit feiert einfach weiter
  28. FAZ, 17.04.2020; Mehr als 22 Millionen Arbeitslose in Amerika binnen vier Wochen
  29. Spiegel: Holland im Lot
  30. Spiegel: Schweden wählt den Sonderweg
  31. Spiegel: "Experiment mit der Bevölkerung"
  32. taz: Portugal macht's besser
  33. Tagesschau: Wie Portugal die Zahlen niedrig hält
  34. FAZ, 03.05.2020: Das Leben kehrt zurück
  35. Wikipedia: COVID-19-Pandemie in Vietnam
  36. Deutsche Welle: Vietnams Kriegserklärung an Corona
  37. FAZ, 24.05.2020: Technik gegen Corona
  38. Wikipedia: 2020 coronavirus pandemic in Thailand 
  39. Welt: Singapur kämpft gegen die zweite Welle
  40. Länderspezifischer Wikipedia-Artikel zur Ausbreitung der Corona-Pandemie:
  41. Spiegel: Populismus tötet  
  42. The Bridge: How quickly have confirmed COVID-19 cases been doubling?  
  43. Zeit: Die Stunde des Sotoris Tsiodras
  44. FAZ, 03.05.2020: Pathologe Sotiris Tsiodras: Ein Arzt für alle Griechen
  45. Spiegel: Griechenlands erfolgreicher Weg durch die Krise
  46. Tagesschau: Vorzeigestaat Griechenland 

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